Alter Wein in alten Schläuchen – so könnte man die neuerliche Regierungsumbildung, zumindest eines Teils der ÖVP-Grünen-Regierung, bezeichnen. Laut einer repräsentativen Umfrage unter 800 Wahlberechtigten zeichnet sich dieser Eindruck durchaus auch im Volk ab. So verliert vor allem die ÖVP-Grüne-Regierung deutlich an Zustimmung: die Konservativen verlieren knapp ein Drittel der Wählerzustimmung und kommen auf 24 Prozent (Nationalrats-Wahl 2019: 37,5), während die Grünen von 12 Prozent der Befragten gewählt wurden und daher leicht verlieren. Dieser deutliche Vertrauensverlust war abzusehen, scheint doch das scheinbar unverrückbare „System Kurz“ politisch erledigt. Scheinbare Nutznießerin dieser Entwicklung ist einerseits die SPÖ, die mit 26 Prozent sogar stärkste politische Kraft ist – ohne, dass diese so recht wüsste, wie zu dieser Ehre gekommen – und die demagogische „Anti-Corona-Partei“ MFG, welche mit 4 Prozent den Eintritt in den Nationalrat schaffen würde. Auch die FPÖ legt der Umfrage nach mit 22 Prozent wieder zu, weil Herbert Kickl als geschickter Einpeitscher die allgemeine Unzufriedenheit im Volk einerseits kanalisiert, andererseits aber auch die Anti-Corona-Demonstrationen, nicht gänzlich außerparlamentarischen Kräften überlässt.
Das Volk sieht keine echte Alternative
Dennoch ist der Wunsch nach einer Neuwahl – was angesichts des Vertrauensverlustes in der Regierungskrise naheläge – gering. Nur 37 befürworten eine Neuwahl, während 44 % sich wünschen, dass die Regierung bis zum regulären Ende der Periode weiterarbeitet. Das erscheint paradox, ist aber symptomatisch für die politische Orientierungslosigkeit im Volk, welche durch alle politischen Parteien von der FPÖ, über die Regierungsparteien bis zu SPÖ und NEOS genährt wird: Praktisch alle Regierungsparteien der letzten Jahre im Bund und in den Ländern haben bewiesen, dass sie nicht für den Ausbau und Erhalt der Spitalskapazitäten und qualitativ hochwertiger Pflege, für die Sicherung aller Arbeitsplätze, für konsequenten Gewaltschutz von Frauen oder die Rechte der Jugend, um nur ein paar Bereiche zu nennen, stehen. Dennoch sieht das Volk keine Alternative, außer, dass es zwischen dem geringsten Übel wählen muss. Knapp 70 Prozent der Befragten erwarten, man könnte zugespitzt sagen, befürchten, dennoch eine Neuwahl.
Auch abseits der bürgerlichen Parlamente existiert keine starke Gewerkschaft, die für die Sozial- und Arbeitsrechte der Arbeiterklasse kämpfen würde. Stattdessen ist der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) mit seinen Gewerkschaftsfraktionen der jeweiligen Parlamentsparteien ein staatstreues Element, das Jahr für Jahr damit beschäftigt ist, Niederlagen auszuverhandeln, während die enorme Arbeitslast durch die Corona-Pandemie, die Arbeitsverdichtung, die vielen Unsicherheiten und Drohung, dass man gekündigt werden könnte, wenn man sich nicht fügt, viel schwerer wiegen. Umso schwerer, da die angekündigten „Reformen“ der Arbeitslosenversicherung samt der Ausweitung von Zumutbarkeitsgrenze trotz aller Wechsel im Regierungskabinett nicht vom Tisch sind. Wie könnten sie – das österreichische Kapital verlangt danach, Herr Arbeitsminister Kocher veredelt diese Angriffe durch seine pseudowissenschaftlichen Theorien der „Verhaltensökonomie“ als evidenzbasierte Wissenschaft.
Einziger Ausweg: Partei ergreifen!
Die Partei der Arbeit (PdA) sagt richtigerweise, dass die gegenwärtige Regierung weg muss – und das wird sie letztlich auch. Aber die PdA betont umso richtiger, dass jede der bürgerlichen Parlamentsparteien, jede Form der Profitmacherei, welche diese Parteien in der einen oder anderen Form letztlich durchsetzen wollen, beendet werden muss. Für die enormen Konflikte, Widersprüche und Unzulänglichkeiten trotz des immensen wissenschaftlich-technologischen Fortschritts, ist weder ein Virus noch alleine die Ignoranz der Herrschenden verantwortlich. Noch steht dahinter eine diffuse Macht. Die „Verschwörung“ gegen das Volk und die Arbeiterklasse ist die Profitorientierung und kapitalistische Ausbeutung selbst, deretwegen die Beschäftigten in der Corona-Pandemie mit niedrigen Löhnen, Kündigungen und dem Abbau von Sozial- und Arbeitsrechten konfrontiert waren. Deretwegen ist der Imperialismus auf Weltebene, welcher aktuell die Kriegsgefahren in Osteuropa, im östlichen Mittelmeerraum oder im Südchinesischen Meer beschleunigt. Diesen Zustand abzuschaffen, bedeutet, sich in Österreich auf der Seite des Klassenkampfes zu organisieren – das heißt, abseits der demagogischen FPÖ und MFG, die als zutiefst wirtschaftstreue Kräfte die Rolle der „loyalen Opposition“ für das Kapital spielen, abseits der gescheiterten Regierungsparteien, welche das Schlechteste beider Welten vereinen und abseits der arbeiterfeindlichen Sozialdemokratie und ihrer wortradikalen linken Ableger, wie die KPÖ, welche es in Graz es zur systemtreuen Regierungspartei gebracht hat.
Quelle: Der Standard/PdA