HomeKlassenkampfReallohnverlust für die österreichische Arbeiterklasse

Reallohnverlust für die österreichische Arbeiterklasse

Das Jahr 2020 erbrachte für die österreichischen Arbeitenden einen Reallohnverlust. Bürgerliche und sozialdemokratische Ökonomen reden sich auf eine „Pandemiekrise“ aus, doch diese Entwicklung ist Normalität im Kapitalismus. 

Wien. Das „Geschenk“ des kapitalistischen Wirtschaftssystems und seiner Krise zum heurigen Tag der Arbeit: Die Löhne der Arbeitenden sind im Jahr 2020 real gesunken – und für 2021 darf selbiges erwartet werden. Aktuelle Daten des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO) lassen für das vergangene Jahr einen Reallohnverlust von 0,8 Prozent ablesen. Das bedeutet: Die Menschen haben vielleicht sogar in absoluten Zahlen ein paar Euro mehr in der Tasche – auf Basis der Erhöhung des Nominallohns –, doch in Wirklichkeit können sie sich darum weniger kaufen als zuvor. Hierfür gibt es mehrere Gründe, der augenscheinlichste ist die Inflation, also die Verteuerung der Preise für Wohnen, Energie, Lebensmittel etc. – Steigen die Verbraucherpreise schneller als die Löhne, so ergibt sich ein realer Lohnverlust (die Kapitalisten sprechen dann von „Kaufkraftverlust“, tatsächlich handelt es sich in der Tendenz um den Prozess einer Verarmung, wenngleich dadurch nicht jeder sofort arm oder armutsgefährdet wird).

Die sozialdemokratischen Gewerkschaftsvertreter jubeln gerne, wenn sie mit den Unternehmern einen Lohnabschluss im Bereich oder gar über der Inflation ausmauscheln, doch das ist irreführend. Zum einen werden die vermeintlichen Lohnerhöhungen wirksam, wenn die Inflationsentwicklung noch nicht bekannt ist: Zum Beispiel bewegten sich viele Abschlüsse der vergangenen Monate um ein Plus von 1,5 Prozent, doch alle Wirtschaftsforscher sind sich einig, dass die Inflationsrate in Österreich 2021 bei zwei Prozent liegen wird – dass also die Inflation 2020 vielleicht niedriger war, bringt nichts: Die Lohnabhängigen können sich 2021 weniger leisten, trotz einer angeblichen Lohnerhöhung. Darüber hinaus werden in Kollektivverträgen Bruttolöhne ausgewiesen, d.h. ein Teil der Erhöhung geht an den Finanzminister verloren. Und zu guter Letzt geht es ja v.a. einmal um tarifliche Mindestlöhne, die – zum Glück – einen Gutteil der Arbeiterinnen und Arbeiter nicht wirklich betreffen. Im Arbeitsleben werden auch Löhne über dem normierten Minimum bezogen – und diese sind ebenfalls „Verhandlungssache“. Und hier kommen sodann wieder die kapitalistischen Marktgesetze zum Tragen, nämlich in Bezug auf den so genannten „Arbeitsmarkt“: Je mehr Arbeitslose es gibt – und davon gibt es seit Krisenbeginn wahrlich genug –, desto geringer werden die tatsächlichen Löhne, denn jeder Arbeiter in Beschäftigung ist umso leichter „ersetzbar“ – durch einen Arbeitslosen, dem man einen niedrigeren Lohn zumuten kann. D.h. die „Verhandlungsposition“ der Beschäftigten wird schlechter, die Unternehmer haben quasi ein Erpressungsmittel in der Hand und nützen es, um Druck auszuüben – daher hat der Kapitalismus auch ein grundsätzliches Interesse an einer relevanten Zahl an Arbeitslosen und niemals eines an „Vollbeschäftigung“.

So schaut’s aus im System der kapitalistischen Ausbeutung. Das WIFO ist natürlich ratlos angesichts der realen Lohnverluste – und redet sich irgendwie auf Pandemie und Krise aus, obwohl man gleichzeitig die Rezession wegreden will. Allerdings ist es eine Tatsache, die das WIFO auch nicht unterschlagen kann, dass es mindestens in der Hälfte aller Jahre Reallohnverluste gibt, ganz ungeachtet von wirtschaftlichen Abschwüngen. Aber so läuft eben die kapitalistische Konjunktur: Wenn es auswärts geht, dann darf dieser Trend nicht durch „übertriebene“ Lohnforderungen sabotiert werden; und wenn’s abwärts geht, ist sowieso kein Geld da. Beides sind Lügen. Die Wahrheit ist: Das Kapital trachtet immer danach, den Arbeiterinnen und Arbeitern geringe Löhne zu zahlen, damit ihre eigenen, ohnedies exorbitanten Profite noch größer werden. Und dann wundert man sich, wenn die Arbeitenden sich die (selbst) produzierten Ware nicht mehr leisten können, der „Konsum einbricht“ und die Wirtschaft stockt, im Extremfall bis zu den regelmäßig auftretenden Krisen des Kapitalismus. Man muss nicht einmal Marxist sein, sondern nur über ein paar mathematische Grundkenntnisse verfügen, um zu erkennen, dass der Kapitalismus grundsätzlich nicht funktioniert. Die Zeche für die Dysfunktionalität zahlt aber immer nur die Arbeiterklasse, mit Lohnverlusten und Arbeitslosigkeit. Das Kapital richtet sich die Sache, so oder so, im Zweifelsfall durch staatliche Zuwendungen und „Rettungspakete“. Das Kapital ist der wahre Sozialschmarotzer im Land, ohne jede Verantwortung für das Staatsbudget, geschweige denn für das Schicksal der Arbeiterklasse.

Es stellt sich die Frage, warum wir uns dieses System der Ausbeutung und Unterdrückung, der sozialen und finanziellen Unsicherheit, der Arbeitslosigkeit und Lohnverluste noch antun sollen. Weil es nichts anderes gibt, sagen die „Forschungsinstitute“ und Ökonomen des Kapitals, seine Regierungen und „Arbeitsminister“, sein Bildungssystem und seine Medien. Man braucht sich nicht länger belügen lassen: Der Kapitalist kann nur existieren, wenn er seine lohnabhängigen Arbeiter ausbeutet; doch der Arbeiter kann auch produzieren, wenn er dabei nicht von einem Kapitalisten ausgebeutet wird – sogar besser: Die Arbeiterklasse kann die Fabriken und Betriebe selber führen, ohne einen Gutteil der geschaffenen Werte als Profit den gesellschaftlich nutzlosen Kapitalisten zu schenken. Man könnte die Gewinne für Sinnvolleres verwenden, wie leistbare Wohnungen, ein funktionierendes Gesundheitssystem, anständige Bildung, sichere Pensionen – und für angemessene Löhne. Alles, was man hierfür tun muss, wäre, das privatkapitalistische Eigentum in Volkseigentum zu verwandeln und dadurch den Kapitalismus (und die Kapitalisten) abzuschaffen. Dann entscheiden die Arbeiterinnen und Arbeiter, und nicht die reichen Ausbeuter und deren politische Lakaien. Aber das wäre natürlich abgrundtief böse, wie uns das WIFO sicher gerne versichert – weil Sozialismus.

Quelle: Der Standard

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