Wien. Während die österreichische Bevölkerung mit steigenden Preisen konfrontiert ist, die Armut steigt und das Parlament die nächste Runde an Belastungspaketen diskutiert, bereitet sich die politische Elite des Landes auf ein anderes Schauspiel vor: den protokollarischen Empfang eines Präsidenten im Krieg – Wolodymyr Selenskyj. Dass dieser Besuch ausgerechnet mit dem Auftakt der Budgetdebatte zusammenfällt, mag Zufall sein, ist aber Sinnbild für die tiefgreifende politische Verschiebung: weg von sozialer Verantwortung, hin zu außenpolitischer Parteinahme und Kriegstreiberei.
Der angekündigte Empfang Selenskyjs in Wien steht in einer Linie mit der stetigen Aushöhlung der österreichischen Neutralität. Was einst ein verfassungsmäßig verankerter Grundpfeiler österreichischer Außenpolitik war, wird heute als hinderlicher Anachronismus betrachtet. Statt auf Ausgleich und Diplomatie setzt die Regierung auf Symbolpolitik im Dienste westlicher Militärbündnisse. Die öffentliche Bühne wird einem Präsidenten bereitet, dessen Regierung eng mit NATO-Strukturen und westlichen Waffenlieferungen verzahnt ist, während Österreich offiziell weiterhin neutral sein soll. Was hier geschieht, ist kein Akt der Diplomatie, sondern ein politischer Schulterschluss mit einem kriegsführenden Staat – mit Neutralität hat dies schon lange nichts mehr zu tun.
Die Doppelmoral dieser Haltung ist offensichtlich: Während der Besuch Selenskyjs als solidarischer Akt gefeiert wird, war von vergleichbarer Aufmerksamkeit für zivile Opfer in anderen Konflikten – etwa in Gaza – nie die Rede. Menschenrechtsrhetorik wird selektiv angewandt, abhängig davon, ob sie mit den außenpolitischen Interessen der NATO und ihrer wirtschaftlichen Partner vereinbar ist.
Dass dieser Besuch mit der Budgetdebatte kollidiert, wirkt fast wie ein Hohn: Während im Parlament über Kürzungen, Sparzwänge und „Reformen“ zum Nachteil breiter Bevölkerungsschichten diskutiert werden, zieht es die Regierungsverantwortlichen lieber zum Empfang eines Präsidenten, dessen Regierung Milliarden in Rüstung steckt – finanziert auch durch westliche „Hilfen“. Gelder, die andernorts dringender gebraucht würden: für soziale Sicherheit, leistbares Wohnen, im Bildungs- und Gesundheitswesen.
Die Einladung Selenskyjs ist mehr als ein diplomatischer Termin. Sie ist ein weiterer Beweis dafür, dass die österreichische Außenpolitik ihre einstige Souveränität eingebüßt hat und sich zunehmend in die Logik der geopolitischen Lager hineindrängen lässt. Wer sich heute bedingungslos mit einer Seite eines Krieges identifiziert, der verzichtet auf die Rolle der Vermittlung, des Ausgleichs und der Abrüstung. Die Folgen davon tragen nicht nur die Menschen in den Kriegsgebieten, sondern auch jene hierzulande, die sich angesichts steigender Lebenshaltungskosten und sozialer Unsicherheit verraten fühlen.
Der Besuch Selenskyjs ist daher kein Moment der Ehre für die Republik, sondern ein Paradebeispiel dafür, wie die österreichische Neutralität dem Diktat imperialer Bündnistreue geopfert werden.
Quelle: ORF