HomeFeuilletonKulturAnna Netrebko in Prag gecancelt

Anna Netrebko in Prag gecancelt

Die weltberühmte Sopranistin Anna Netrebko hat neben der österreichischen auch die russische Staatsbürgerschaft. Grund genug, dass sie in Prag nicht auftreten darf – auf Geheiß des ukrainischen Botschafters.

Prag/Kiew/Wien. Mozart soll sich in Prag ja wohler gefühlt haben als in Wien. „Meine Prager verstehen mich“, hat er angeblich gesagt, nachdem der sozialkritische „Figaro“ in der österreichischen Kaiserresidenz skeptisch aufgenommen worden war, aber in der böhmischen Hauptstadt ein fulminanter Erfolg wurde. Auch die Premiere des nicht unproblematischen „Don Giovanni“ fand nicht zufällig an der Moldau und nicht an der Donau statt. Aber das ist mehr als 230 Jahre her. Inzwischen hat in Prag denn doch eine groteske kulturpolitische Engstirnigkeit eingesetzt, die jemand wie Mozart ob ihrer augenscheinlichen Blödheit zweifellos zum Teufel gewünscht hätte.

Jedenfalls: Am kommenden 16. Oktober hätte die russisch-österreichische Sopranistin Anna Netrebko ein großes Konzert im prächtigen Smetana-Saal des Prager Gemeindehauses geben sollen – gewiss ein Höhepunkt des tschechischen Kulturjahres. Doch er findet nun nicht statt, denn Netrebko wurde gecancelt. Eine Absage „im Einvernehmen“, heißt es, was lediglich bedeutet, dass Netrebko nach der einseitigen Vertragsauflösung freundlicher Weise auf eine Entschädigung verzichtet: Man beugt sich dem politischen Druck.

Dieser kommt wenig überraschend aus Kiew. Die Prager Stadtregierung hatte es im Vorfeld der „Empfehlung“ der ukrainischen Botschaft in Tschechien überlassen, ob Netrebko auftreten darf oder nicht. Und Botschafter Vitalij Usatyj sagte „njet“, schließlich steht die größte Sopranistin der Gegenwart auf einer Schwarzen Liste der Ukraine, als angebliche Putin-Unterstützerin. Dass sie sich klar und deutlich gegen den russischen Angriff auf die Ukraine erklärt hat, wird in Kiew ignoriert, denn darum geht es längst nicht mehr. Der antirussische Kulturkampf ist Teil des totalen Krieges gegen den großen Nachbarn.

In der Ukraine wurde und wird nicht erst seit Kriegsbeginn, sondern schon seit dem Maidan-Putsch alles Russische ausgemerzt, von Puschkin bis Tschaikowsky, selbst die Werke ukrainischer Künstler, die in russischer Sprache verfasst sind, werden dem Kiewer Verbotswahn unterworfen. Das hat nicht wirklich etwas mit dem militärischen Konflikt im engeren Sinn zu tun, sondern es geht darum, eine Sprache zu unterdrücken, die mindestens ein Drittel der Ukrainerinnen und Ukrainer als Muttersprache hat, und jegliche Kunst und Kultur russischer Herkunft auszulöschen. Freilich, das sind nicht unbedingt „europäische Werte“, zumindest nicht jene des 21. Jahrhunderts. Vielmehr handelt es sich um den Versuch einer ethnisch-sprachlichen Säuberung der Ukraine, in deren Kern nichts als Rassismus übrigbleibt.

Dass einige europäische Staaten bei diesem Feldzug gegen russische Kulturschaffende international mitspielen, ist recht beschämend. Man möchte eigentlich meinen, in Prag wüsste man selbst und auf souveräne Weise besser, was gut und vernünftig ist für das eigene Land – und man bräuchte keine anmaßenden Anweisungen aus Kiew, die man dann 1:1 umsetzt. Aber nein! Anna Netrebko wird abgeschafft, weil die seit 2006 österreichisch-russische Doppelstaatsbürgerin eben auch den russischen Teil aufweist. Wer sein Kulturprogramm derart dümmlich sabotieren lässt – von einem Schmieren-Comedian wie Selenskyj –, hat jede politische Kultur längst verloren. Schade für Prag, schade um Prag.

Quelle: Kurier

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