Im südlichen Niederösterreich sperrt der Kartonkonzern Mayr-Melnhof ein Werk mit 150 Beschäftigten zu. Der angebotene „Sozialplan“ der milliardenschweren Eigentümer und ihrer Manager ist eine Verhöhnung für die Beschäftigten.
Neunkirchen/Wien. Wie vor sechs Wochen angekündigt, soll der Standort der Karton- und Faltschachtelproduktion der Mayr-Melnhof AG im niederösterreichischen Hirschwang (Gemeinde Reichenau an der Rax) geschlossen werden. 150 Arbeiter und Angestellte verlieren ihre Jobs. Die Konzernleitung hat die Verhandlung über einen Sozialplan für die Betroffenen zugesagt, diese gestalte sich bislang aber eher als ein „Diktat“, berichtet Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Reiter. Die Kollegen, die unter 25 Jahre alt sind, sollen von den angedachten Maßnahmen überhaupt ausgeschlossen bleiben, für die restliche Belegschaft wird ein unzureichender Betrag für Unterstützungen angeboten. Alle Vorschläge der Belegschaftsvertreter wurden rundweg abgelehnt. Die Kolleginnen und Kollegen haben nun einen Protestbrief verfasst, wollen den Vorstandsvorsitzenden Peter Oswald zur Rede stellen und kündigen für kommende Woche, wenn der Aufsichtsrat tagt, eine Kundgebung vor der Konzernzentrale in Wien an.
Weltkonzern in der Papier- und Kartonindustrie
Die Arbeiter und zukünftigen Arbeitslosen von Hirschwang verstehen zurecht nicht, warum ihr Werk überhaupt dicht gemacht wird, anstatt in neue Maschinen zu investieren, denn es wird ja tadellos gearbeitet. Und natürlich macht die Mayr-Melnhof Karton AG satte Profite: Mit ca. 10.000 Angestellten in 17 Ländern auf allen Kontinenten außer Australien ist der in Wien ansässige Konzern ein Global Player in seiner Branche und kommt auf einen Jahresumsatz von mehr als 2,3 Milliarden Euro. Erst vor wenigen Monaten gab CEO Oswald noch zu Protokoll, dass die Corona-Epidemie keinen Einfluss auf den Betrieb habe, womit eine Abfertigung von mehr als acht Millionen Euro für seinen scheidenden Vorgänger Wilhelm Hörmanseder jedenfalls zu rechtfertigen sei. Doch nun, unter den Bedingungen der kapitalistischen Krise, muss eben doch eingespart werden: An den Standorten in Rumänien und der Türkei, in Chile und Tunesien lässt sich selbstverständlich billiger produzieren und mehr Profit machen als in Niederösterreich, und die Arbeitsrechte und Umweltauflagen sind gewiss auch entgegenkommender – da zählen 150 „Mitarbeiter“ halt nicht. Der Betriebsratsvorsitzende bringt es auf den Punkt: „Den Managern und Eigentümern sind die Schicksale der betroffenen Familien offenbar egal.“
Superreiche Familiendynastie mit Milliardenvermögen
Apropos Eigentümer: Die ehemals adelige Familie Mayr-Melnhof zählt zu den reichsten Kapitalclans Österreichs. Ihr gehört nicht nur die Wiener MM Karton AG, sondern auch die Leobener MM Holding. Über diese verfügt sie in der Obersteiermark über den größten privaten Forstbetrieb Österreichs mit einer Fläche von über 32.000 Hektar, verbunden mit entsprechenden Sägewerken. In diesem Bereich wurde – wie in der Kartonindustrie – ebenfalls massiv expandiert, u.a. in Deutschland, Tschechien und Russland, wo erhebliche Akquisitionen getätigt wurden. Hinzu kommen Immobilien sowie das eine oder andere Schloss, wodurch bei der MM Holding mit ca. 1.800 Angestellten jährlich nochmals fast 700 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Damit sind wir bei einem Gesamtumsatz von bereits drei Milliarden Euro. In der Liste der reichsten Österreicher schafft es die Familie Mayr-Melnhof mit einem Privatvermögen von 2,7 Milliarden Euro auf Platz 16. Einen solchen Reichtum rafft man sich freilich nur durch die maximale und rücksichtslose Ausbeutung der Arbeiterklasse zusammen. Da wird man auch nicht gleich aus seinem Luxusleben aufgeschreckt und seine soziale Ader entdecken – nur weil in Hirschwang ein Werk schließt, das eine Beschäftigtenanzahl aufweist, die der Hälfte der Einwohnerzahl der Ortschaft entspricht. Zeit für eine Reichensteuer? Nein, Zeit für Enteignung!
Quelle: ORF