Das Unternehmen „Ben & Jerry’s“ hat angekündigt, in den jüdischen Siedlungen in den von Israel besetzten Palästinensergebieten keine Produkte mehr zu verkaufen.
London/Burlington/Tel Aviv. Der US-amerikanische Speiseeishersteller „Ben & Jerry’s“ sorgt für Zorn in Israels Regierung: Das Unternehmen hatte angekündigt, nach Auslaufen des bisherigen Vertrages ab 2022 den Verkauf seiner Produkte in den israelischen Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem zu stoppen. Natürlich ist das ein klares politisches Statement: Die völkerrechtswidrige Besatzung der palästinensischen Gebiete durch Israel und die illegale Siedlungspolitik seien mit den Werten von „Ben & Jerry’s“ nicht vereinbar, heißt es seitens der Unternehmensleitung. Eine solche Position kann wohl jeder Mensch, der nur ansatzweise gegen Unterdrückung und Fremdherrschaft ist, nachvollziehen, der israelische Ministerpräsident freilich nicht: Naftali Bennet ist aber auch Vorsitzender der nationalistischen Partei „Neue Rechte“, die sich gegen jeden Friedensprozess mit den Palästinensern, aber für Annexionen und Siedlungsbau ausspricht. Daher versuchte Bennet gleich eine Intervention beim britisch-niederländischen Mutterkonzern Unilever, zu dem „Ben und Jerry’s“ seit 2000 gehört.
Regierung sieht „antisemitische“ Entscheidung
Auch ansonsten sah die israelische Regierung eine Ungeheuerlichkeit und entblödete sich auch nicht, die Entscheidung als antisemitisch und antijüdisch darzustellen. Das ist ein alter, hinlänglich bekannter Trick der israelischen Politik: Sobald irgendjemand leise Kritik am Okkupationsregime und der Terrorisierung der Palästinenser übt, soll diese Person – oder in diesem Fall: dieses Unternehmen – als antisemitisch diffamiert werden. Dass die „Ben & Jerry’s“-Gründer Ben Cohen und Jerry Greenfield selbst jüdischer Herkunft sind, spielt dabei freilich keine Rolle. Sehr wohl spielt es aber eine Rolle, dass die beiden mit ihrer liberal-progressiven Einstellung, quasi am „linken“ Rand der Demokratischen Partei um Bernie Sanders, dem Unternehmen doch die eine oder andere entsprechende Facette im Selbstverständnis mit auf dem Weg gegeben haben: So engagierte sich „Ben & Jerry’s“ in der Vergangenheit bereits für die Rechte von Flüchtlingen, gegen den Klimawandel oder für nachhaltige Milchwirtschaft.
Besatzungsregime unter Druck
Es werden am Ende zwar nicht kapitalistische Unternehmen aus den imperialistischen Zentren und auch nicht US-Liberale sein, die das israelische Besatzungsregime zu Fall bringen, sondern die entschlossenen und konsequenten Kräfte des Antiimperialismus, des Antimilitarismus und der Friedensbewegung, die mit der revolutionären Arbeiterbewegung verbunden sind. Trotzdem tut der israelischen Regierung natürlich gerade die Tatsache weh, dass selbst ansonsten verlässliche Verbündete dann doch irgendwo einmal eine Linie ziehen und nicht mehr mitkönnen, denn das kostet Rückhalt und erhöht den Druck. Auf die bedingungslose Unterstützung aus den USA ist Israel jedoch angewiesen, was die nunmehrige Empörung von Bennets Regierung erklärt: Natürlich ist ihr egal, ob man in den Siedlungen weiterhin Eiscreme der Marke „Ben & Jerry’s“ kaufen kann – sie weiß aber, dass die Tage des Okkupations- und Repressionsregimes, das von vielen mit vertretbaren Argumenten als Apartheid tituliert wird, gezählt sein werden, wenn man weiter isoliert wird. Denn hier geht es um Freiheit, Selbstbestimmung und Menschenrechte für die Palästinenser und arabischen Israelis, die sich nicht für alle Ewigkeit mit Gewalt und Rassismus unterdrücken lassen werden.
Quelle: Der Standard