Fast die Hälfte der Tiroler Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren fühlt sich psychisch belastet – das zeigt eine aktuelle Umfrage von Schülervertretern. Trotz großem Druck und Stress sprechen viele kaum über ihre Probleme. Expertinnen und Experten fordern mehr Sichtbarkeit für Schulpsychologen und ein offeneres Gespräch über mentale Gesundheit.
Innsbruck. Eine Befragung, die von Tiroler Schülervertretern durchgeführt wurde, ergab, dass etwa die Hälfte der Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren ihren aktuellen psychischen Zustand als eher schlecht bis sehr schlecht einschätzt. An der Umfrage nahmen rund 1.500 junge Menschen teil. Die Fragen wurden von den Schülervertretern gemeinsam mit Psychologen entwickelt.
Laut Sixtus Schmiderer, dem Landesschülersprecher der AHS, wurde die Erhebung angestoßen, weil die Schülervertretung in diesem Jahr mehrfach mit tragischen Vorfällen an Tiroler Schulen konfrontiert war – man habe herausfinden wollen, wie ernst die Lage tatsächlich sei.
Leistungsdruck, Stress und Mangel an Freizeit
Schon vor der Befragung sei klar gewesen, dass viele Schülerinnen und Schüler psychisch belastet sind. Die Umfrage habe dies zwar bestätigt, jedoch in einem deutlich stärkeren Ausmaß als ursprünglich angenommen, erklärt Schmiderer. Ursachen seien vor allem hoher Leistungsdruck, Stress und ein Mangel an Freizeit, was das Leben vieler Jugendlicher stark belaste. Dennoch würden nur wenige offen darüber sprechen, dass es ihnen mental nicht gut geht – psychische Gesundheit sei nach wie vor ein großes Tabuthema.
Viele Jugendliche hätten Angst, das Thema psychische Gesundheit überhaupt anzusprechen – sei es im Freundeskreis, in der Familie oder in der Schule. „Diese Furcht muss genommen werden, es muss ein ganz normales Thema sein“, betont Schülervertreter Schmiderer. Während man bei körperlichen Beschwerden ganz selbstverständlich ärztliche Hilfe in Anspruch nehme, scheuten sich viele davor, den Schulpsychologen oder die Schulpsychologin aufzusuchen. Diese Hemmschwelle sei viel zu hoch und müsse dringend abgebaut werden, so Schmiderer.
Angebote fehlen
Laut der Umfrage nutzen über sechs Prozent der Jugendlichen derzeit psychologische Unterstützung in der Schule. Weitere zehn Prozent würden Hilfe in Anspruch nehmen, wenn ein entsprechendes Angebot vorhanden wäre. Schulpsychologinnen und ‑psychologen müssten sichtbarer und präsenter werden, meint Marco Wehinger, Landesschulsprecher der berufsbildenden höheren Schulen.
Ein einfacher, aber wirkungsvoller Schritt wäre es aus seiner Sicht, wenn sich die Schulpsychologen zu Beginn des Schuljahres persönlich in den Klassen vorstellen würden. So würde die Hemmschwelle sinken, weil man sich dann nicht an eine völlig fremde Person wenden müsste.
Die Schülervertreter rufen dazu auf, dass sich Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler intensiver mit dem Thema psychische Gesundheit auseinandersetzen. Wer psychische Probleme habe, solle offen darüber sprechen und Unterstützung annehmen.
Der immense Leistungsdruck, den viele Schülerinnen und Schüler heute erleben, ist untrennbar mit den Zwängen des kapitalistischen Systems verbunden. Schule wird zunehmend zu einer Maschine, die junge Menschen darauf vorbereitet, in einer immer wettbewerbsorientierteren Arbeitswelt zu bestehen – koste es, was es wolle. Statt auf individuelle Entwicklung und Wohlbefinden zu setzen, zählt vor allem Leistung und Effizienz. Diese kapitalistische Logik erzeugt enormen Stress und psychische Belastungen bei Jugendlichen, die oft kaum Raum für Erholung oder echte Entfaltung lassen.
Quelle: ORF