HomeInternationales3.500 Polizisten räumen Köpi-Camp

3.500 Polizisten räumen Köpi-Camp

Das Wagencamp Köpi-Platz in Berlin-Mitte wurde in den letzten Tagen gewaltsam von Polizeikräften geräumt. Dabei wurden 76 Personen festgenommen, die sich gegen die Räumung ihrer Wohnstätten und die lebensbedrohende Gentrifizierung aufgelehnt hatten.

Berlin. Das geschichtsträchtige Symbolprojekt der autonomen Szene in der Köpenicker Straße ist nun Vergangenheit. Vom 14. bis zum 16. Oktober fand eine riesige und gewaltsame Räumung statt, der etwa 30 Familien zum Opfer fielen. Der Grundstückseigentümer hatte im Vorfeld die Räumung des Geländes mit Hinweis auf Baugenehmigung vor Gericht zugesprochen bekommen – es handelte sich dabei um ein rund 2600 Quadratmeter großes Grundstück neben einem im Jahr 1990 besetzten Haus. Rund 30 Familien wohnten bis vor kurzem noch ungestört dort, in Bauwagen untergebracht. Der Eilantrag der Bewohnerinnen und Bewohner zum Zweck des Stopps der Zwangsvollstreckung wurde vom Berliner Kammergericht ad acta gelegt.

Am Freitag begann die Polizei mit ihrem Räumungsvorhaben. Mit technischem Gerät versuchten sie auf das Gelände vorzurücken und die Bewohnerinnen und Bewohner hinauszutreiben. Es kam zu Auseinandersetzungen, eine Sprecherin des Projekts hatte die involvierten Polizeikräfte per Megaphon davor gewarnt, dass hier Menschenleben auf dem Spiel stünden. Wenn es um den Schutz von Privateigentum geht, ist den Behörden aber jedes Mittel recht und Menschenrechte, Recht auf Wohnen usw. geraten schnell in den Hintergrund. Bereits bei einer Demonstration unter der Losung „Köpi bleibt! Keine Räumungen in Berlin!“ in Friedrichshain-Kreuzberg, an der sich 8000 Menschen beteiligten, wurden 17 Personen festgenommen. Bei der Räumung selbst war zwischen 14. und 16. Oktober eine horrend hohe Zahl an Polizeikräften beteiligt: Rund 3500 Polizisten setzten sich für das Recht auf Privateigentum eines einzelnen Grundstückseigentümers ein, insgesamt aus acht Bundesländern wurden sie nach Berlin-Mitte zu diesem Behufe abgezogen. Interessant in diesem Kontext ist auch das Statement von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), der einerseits die Notwendigkeit solcher Projekte bekräftigte, denn „das gehört zu unserer Stadt“, andererseits aber anmerkte, dass das Eigentum unbeteiligter Menschen zerstört und Polizeikräfte bei der Zwangsvollstreckung verletzt wurden, was „mit nichts zu rechtfertigen“ sei. Interessant deshalb, weil die autonome Szene aus zumeist politisch halbbewussten, sich als links einstufenden Menschen besteht, die stets zwischen Wahlboykott und der Unterstützung des geringeren Übels schwankt, was oft in einer Parteinahme für die Sozialdemokratie resultiert, um rechten Parteien keinen Platz im Parlament zu lassen.

Bei der Räumung wurden Polizeiangaben zufolge auch Polizistinnen und Polizistinnen verletzt, nämlich 31 Männer und neun Frauen. Aber das sind Zahlen, die, wenn sie denn auch der Wahrheit entsprechen, bei einer friedlich angelegten Demonstration oder Kundgebung zu Denken geben müssten, nicht aber bei einer Zwangsräumung, wo es für die beteiligten Familien darum geht, das Dach über ihrem Kopf zu verteidigen. Es ist klar, dass sich Menschen in so einer Situation mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren müssen. Rund 76 Menschen wurden im Zuge der gewaltsamen Räumung bei der Verteidigung ihrer Wohnstätte festgenommen.

Der Fall des Köpi-Camps zeigt somit nicht nur, dass für das Recht auf Privateigentum über Leichen gegangen wird, sondern auch, dass autonome bzw. alternativ ausgerichtete Wohnformen im Kapitalismus kein Recht zugestanden wird. Oder eben nur so lange, wie es der jeweilige Grundstückseigentümer zulässt. Wo die Möglichkeit auf Gentrifizierung besteht, wird diese auch auf Perspektive wahrgenommen werden – man mag Mitgefühl oder Sympathie für diese Projekte politisch für sich nutzen, die kalt berechnende Hand des Profits wird sie aber im Laufe eines oder auch mehrerer Tage ohne zu zögern bei Bedarf fortwischen. Der Fall des Köpi-Camps zeigt, wie so viele andere Beispiele besetzter Häuser und Wohnanlagen, recht deutlich, dass nur der organisierte und kollektive Kampf gegen dieses System dauerhafte Siege bescheren kann. 

Quellen: ORF​.at

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