Kabul. Am Wochenende eroberte die Taliban weitere Provinzen in Afghanistan. Es kam zu keiner nennenswerten Gegenwehr, die Regierungsstreitkräfte dürften sich weitestgehend aufgelöst haben. Der prowestliche Präsident Aschraf Ghani bestätigte noch am Sonntag, dass er die Macht abgeben werde und er diese einer Übergangsverwaltung übergeben wolle, bis eine Einigung über die Zukunft des Landes zustande komme. Zudem solle sich Ghani bereits ins Exil begeben und das Land verlassen haben, wird vonseiten mehrerer Medien gleichlautend berichtet. Der Politiker hätte sich zu diesem Schritt entschlossen, um ein „Blutbad zu verhindern“, wie dieser am Sonntagabend über Facebook verlautbaren ließ. Gesicherte Informationen zu seinem derzeitigen Aufenthaltsort gibt es jedoch nicht. Laut Al-Jazeera habe Ghani aber wohl zusammen mit seiner Frau das Land in Richtung Usbekistan verlassen. Einem hochrangigen Beamten zufolge solle Aschraf Ghani ins benachbarte Tadschikistan unterwegs sein. Der Präsidentenpalast könne auf Verweis auf die Sicherheit des Präsidenten jedoch keine Auskunft über dessen Aufenthalt machen.
Unterdessen soll die Taliban bereits in den Präsidentenpalast in Kabul eingedrungen sein. Man kündigte zudem an, man wolle vom Dach des Palasts die Gründung des Islamischen Emirats Afghanistan ausrufen, so wie das Land vor dem Einmarsch der USA unter Taliban-Herrschaft bereits hieß.
Zudem soll die Regierungsarmee den Taliban die Kontrolle über den lange von den USA genutzten Luftstützpunkt Bagram nördlich von Kabul übergeben haben. Wie die Tageszeitung junge Welt berichtet, sollen ihnen dabei offenbar größere Mengen von Kriegsmaterial der USA in Hände gefallen sein. Auch ein Gefängnis sei dabei unter Kontrolle der Taliban gekommen sein, wodurch etwa 5.000 mutmaßliche Kämpfer der Taliban und des „Islamischen Staats“ freigelassen wurden.
Die bevorstehende Einnahme Kabuls sorgte unter der verbliebenen Bevölkerung für Panik und Chaos. So sollen sich vor ausländischen Botschaften, Bankomaten und Lebensmittelgeschäften lange Schlangen gebildet haben. Außerdem sollen sich tausende Menschen auf den Weg zum internationalen Flughafen Kabuls gemacht haben. Der Grund dafür dürfte sein, dass die Stadt derzeit nur über den Luftweg verlassen werden könne. Denn die Landesgrenzen Afghanistans seien entweder durch die Taliban oder von Nachbarstaaten gesperrt worden.
Am heutigen Montag sollen die Verhandlungen zwischen der noch amtierenden Regierung und den Taliban wieder aufgenommen werden. Den Plänen Ghanis zur Bildung einer Übergangsregierung widersprach die Taliban bereits, denn man erwarte sich eine „vollständige Machtübernahme“.
Quelle: junge Welt / ORF