Der am Sonntag zu Ende gegangene G20-Gipfel in Indien zeigte, dass der politische Westen mit seiner Arroganz an Grenzen stößt und sogar bereit ist, sein Protektorat Ukraine kurzzeitig unerwähnt zu lassen.
Neu Delhi. Die Abschlusserklärung des G20-Gipfels in Indien enthält keine Erwähnung der Ukraine und auch nicht des russischen Angriffskrieges. Indien als Gastgeber, Brasilien, Südafrika und China sollen aus Rücksichtnahme auf den BRICS-Partner Russland hart verhandelt und dem von den USA angeführten Westen Paroli geboten haben.
Territoriale Unversehrtheit und Souveränität für alle Staaten
In der Erklärung rufen die Staats- und Regierungschefs der G20 alle Staaten auf, die Charta der Vereinten Nationen und die Grundsätze des Völkerrechts, einschließlich der territorialen Unversehrtheit und Souveränität, zu achten. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und andere westliche Vertreter wollen diese Formulierung als Sieg verkaufen, und sie ausschließlich auf die Ukraine gemünzt sehen. Genau so gut geht es aber in vielen anderen (von den USA überfallenen) Staaten um die territoriale Integrität und Souveränität. Da müsste beispielsweise die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung Serbiens im Kosovo gefordert werden. Ein Thema wäre auch die Gewährleistung der territorialen Unversehrtheit Syriens und der Abzug der US-Besatzungstruppen im Norden. Man könnte darunter auch die Wiederherstellung der Verfügung Kubas über sein gesamtes Territorium durch die Auflösung des US-Stützpunktes und Foltergefängnisses Guantanamo verstehen. Derlei Beispiele gäbe es noch viele, und natürlich kann China nach den selben Grundsätzen die Wiedereingliederung Taiwans als Teil seines Staatsgebietes verlangen.
Gefordert wird in der Erklärung die vollständige Umsetzung des Getreideabkommens, um die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Düngemitteln sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland sicherzustellen. Zur Umsetzung dieser Forderung müssten die G7 und die EU einige ihrer Sanktionen gegenüber Russland aufgeben oder lockern.
Ukraine tobt
In der Ukraine tobt man ob dieses Ergebnisses. Schon vor dem Gipfeltreffen wurde die Selbsteinladung Wolodymyr Selenskyjs für ein Videostatement wie auf dem letzten G20-Treffen in Bali abgelehnt und die Ukraine war auch nicht als Gast zu dem Treffen eingeladen. Auch westliche Journalisten – die mit der Dynamik der gegenwärtigen Weltpolitik nicht zurecht kommt – werfen dem Westen vor, vor Russland und China „eingeknickt“ zu sein, um den Bestand der G20 nicht zu gefährden. Diese beiden Staaten waren übrigens nicht durch ihre Präsidenten, sondern nur durch die Außenminister vertreten.
Die Aufnahme der Afrikanischen Union rundete das Treffen ab. Der brasilianische Präsident Lula des Silva, der Gastgeber des nächsten G20-Gipfels sein wird, ließ die westlichen Vertreter vor seiner Abreise noch wissen, dass er den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht verhaften lassen würde, falls dieser nach Brasilien kommt, ihm also der Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag egal ist.
Quellen: Strana/Strana/Der Standard