Vielmehr sei die Öffentlichkeit von einer Massenhysterie ergriffen, die von den Schülerinnen selbst ausgingen – ihre Meldungen seien daraufhin in böswilliger Absicht von der Opposition und ausländischen Medien aufgegriffen worden.
Teheran. Eine Welle von Anschlägen in den letzten Monaten hat Tausende Schülerinnen betroffen und viel Aufmerksamkeit von einer zu Recht besorgten Öffentlichkeit auf sich gezogen. Die Serie von mutmaßlichen Vergiftungen kommt im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten infolge des Todes der 22-jährigen Mahsa Amini, die wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Bekleidungsvorschriften für Frauen verhaftet worden war. Die Anschläge begannen im November in der Stadt Qom und breiteten sich nach Angaben der Nachrichtenagentur HRANA auf 28 der 31 iranischen Provinzen aus, was einige Eltern dazu veranlasste, ihre Kinder aus den Schulen zu nehmen und zu protestieren.
Das iranische Geheimdienstministerium hat nun am Freitag ausländische „Feinde“ und die innere Opposition beschuldigt, Ängste wegen mutmaßlicher Vergiftungen von Schülerinnen zu schüren. Der Geheimdienst hat nebenbei erklärt, seine Untersuchung hätte keine Fälle tatsächlicher Vergiftung ans Licht gebracht.
Bei Laboruntersuchungen und Untersuchungen vor Ort wurde demnach „keine giftige Substanz festgestellt, die eine Vergiftung verursachen könnte“. Außerdem gab es „keine Todesfälle oder langfristige körperliche Beschwerden“, heißt es in dem Bericht. Der Verdacht des Geheimdienstministeriums liegt bei den Schülerinnen selbst, die Schuld an einer Massenhysterie geworden seien.
Im Gegensatz dazu bezeichnete es die Rolle „der Feinde beim Anheizen dieser Krise“ als „sicher und unbestreitbar.“ Gerade darauf hätten sich „Einzelpersonen, Gruppen und westliche Medien“ in den letzten Monaten „konzentriert“, ebenso wie „ausländische Politiker und internationale Gremien“, heißt es in dem Bericht, der daraufhin auch von staatlichen Medien verbreitet wurde. Der Bericht beschuldigte ungenannte Dissidenten, Ängste zu schüren, um Propagandavideos zu produzieren, und warnte vor deren Ausufern.
Mit dem Leugnen der Attentate will man wohl eine Beruhigung der zugespitzten politischen Atmosphäre forcieren. Tatsächlich wird damit eher das Gegenteil erreicht werden. Eine um ihre Kinder besorgte Öffentlichkeit wird der iranischen Regierung noch weniger Glauben schenken. Eine Vertuschungsaktion durch den Geheimdienst lässt in der Regel auf zweierlei schließen: Ein Interesse der Regierung am Vertuschen der Anschläge oder sogar deren aktive Mitwirkung. Im günstigsten Fall macht sich der Geheimdienst mitschuldig, ein gesellschaftlich relevant gewordenes Problem unter den Teppich zu kehren, sodass weiterhin Schülerinnen und Studentinnen in Gefahr bleiben.
Quelle: Reuters