Weibliche Gefängnisinsassen bleiben in der Regel den ganzen Tag in ihren vollen Zellen und werden ab 14.00 Uhr eingeschlossen. Es fehlt an Arbeits‑, Beschäftigungs- und Sportmöglichkeiten für Frauen – Grund hierfür ist ein akutgewordener Personalmangel.
Wien. Die Volksanwaltschaft äußert starke Kritik an der Haftsituation von Frauen. Eine beträchtliche Anzahl von weiblichen Insassen verbringt bis zu 24 Stunden pro Tag in ihren Gefängniszellen.
Laut der Volksanwaltschaft haben weibliche Insassen, die als Reinigungskräfte im Gefängnis arbeiten, die meisten Freiheiten und mehr Bewegung. Allerdings trifft dies nur auf jede dritte Frau zu. Es gibt zu wenige Arbeits‑, Beschäftigungs- und Sportmöglichkeiten für Frauen, bemängelt die Volksanwaltschaft. Es wurde bereits mehrmals vorgeschlagen, den starren Dienstplan zu lockern. Allerdings lehnt die Personalvertretung eine Änderung des Dienstplans vehement ab, erklärt Manuela Albl, Strafvollzugsexpertin in der Volksanwaltschaft, am Mittwoch gegenüber Ö1.
Außerdem betonte die Volksanwaltschaft, dass man bedenken müsse, dass der überwiegende Teil der Insassen in landesgerichtlichen Gefängnissen in Untersuchungshaft sitzt, wo die Unschuldsvermutung gilt. Selbst wenn jemand als Straftäterin identifiziert wird, sind völlig andere Maßnahmen zur Rehabilitation erforderlich:
„Viel Beschäftigung, eine Tagesstruktur, damit die Menschen lernen, was sie mit ihrem Tag machen sollen und nicht wieder, wenn sie rauskommen, eine Straftat begehen.“
In der Justizanstalt Josefstadt befinden sich ungefähr 1.050 männliche und etwa 80 weibliche Gefangene. Obwohl ein Erlass besagt, dass die Zellentüren bei weiblichen Insassen tagsüber offen sein sollten, wird dies nicht umgesetzt.
„Bei uns beginnt die Nacht schon um 14.00 Uhr“
Die Nacht beginnt für die Frauen in der Justizanstalt besonders früh. Ab 15.00 Uhr verabschiedet sich die Mehrheit des Justizwachebeamten in den Feierabend und der Nachtdienst beginnt. Eine 57-jährige Insassin betont deshalb im Interview mit einem Ö1-Reporter: „Bei uns beginnt die Nacht schon um 14.00 Uhr.“ Denn wenn der Nachtdienst beginnt, werden alle Zellentüren verschlossen. Am Wochenende werden die Zellentüren noch früher verschlossen, nämlich um 11.00 Uhr vormittags. Dann sind am Stock „keine Beamten mehr.“
Größere Zellen sind auch nach Kapazität gefüllt. Bis zu acht Häftlinge müssen sich die wenigen Quadratmeter unter sich aufteilen. „Privatsphäre Null“ – so schildert eine 37-jährige Gefangene die Situation. Obwohl es Angebote wie einen Bastelkurs, eine Frauenstärken-Gruppe und seit neuestem Yoga gibt, fehlen weitere Sportmöglichkeiten für Frauen. Darüber hinaus lehnen viele weibliche Insassen den täglichen einstündigen Hofgang ab. Dies liegt wiederum daran, dass ihnen im Hof von den männlichen Insassen zugepfiffen und zugerufen wird:
„Ich war, seitdem ich da bin, genau viermal spazieren. Mich interessiert das nicht, weil die Männer hängen am Fenster wie die Affen und brüllen hinunter in den Hof. Ich bleibe lieber in der Zelle“, erzählt eine 44-jährige Gefangene. So verbringen viele Frauen 23 oder auch 24 Stunden des Tages in der Zelle.
Personalmangel als Ursache
Die Justizwachegewerkschaft weist Kritik in diesem Zusammenhang von sich. Albin Simma, Vorsitzender der Justizwachegewerkschaft, gibt als Grund für die derzeitigen Zustände einen akuten Personalmangel an, der dadurch verstärkt wird, dass die offenen Stellen zu wenig in der Öffentlichkeit beworben würden:
„Aufgrund des eklatanten Insassen-Höchststandes haben wir zu wenig Personal. Wir haben zu wenig Personal, weil gerade die Pensionierungswelle greift. Und weil wir kein Personal finden“, sagte er und fügte hinzu, dass Werbung und Veranstaltungen „so wie bei der Polizei“ vonnöten seien, um den Beruf „ in der Öffentlichkeit präsentieren und bewerben [zu] können.“
Laut dem Justizministerium sind mehr Budget und Planstellen erforderlich, und man befinde sich in Gesprächen mit dem Beamtenministerium. Ab September plant das Justizministerium Umbauten in der Justizanstalt Josefstadt, in der sich fast 1.150 Häftlinge befinden. Statt Zellen mit bis zu zehn Insassen sollen maximal vier Personen in einer Zelle untergebracht werden, und es sollen Duschmöglichkeiten in den Zellen geschaffen werden. Der Umbau wurde seit zehn Jahren versprochen, der Vorsitzende der Justizwachegewerkschaft gibt jedoch an, dass er erst daran glauben würde, wenn die Bauarbeiten tatsächlich beginnen.
Quelle: ORF