Wien. In der Causa rund um die von der Satire-Plattform „Die Tagespresse“ versandten „Fake-Wirtshausbriefe“ im Namen der FPÖ Niederösterreich ist nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) nun ein mehr als bemerkenswerter Nebenaspekt bekannt geworden. Die FPÖ NÖ ließ die vom OGH angeordnete Urteilsveröffentlichung innerhalb der vorgeschriebenen Frist verstreichen und verzichtete somit auf eine mögliche Kostenforderung in Höhe von 62.757 Euro gegenüber der Tagespresse.
Hintergrund des Rechtsstreits ist die Aktion vom April 2023, als 500 niederösterreichische Wirtshäuser angeblich im Namen der FPÖ-Briefköpfe Post erhielten. In den Schreiben wurde eine „Wirtshausprämie“ aufs Korn genommen, die von den Freiheitlichen kurz zuvor medial beworben worden war. Der Text sprach von einer „Abteilung zur Förderung der patriotischen Esskultur“, mit suggerierten Kriterien wie „Panierquote“ oder Menünamen wie „Andreas-Hofer-Schnitzel“ und „Gabalier-Fleischlaberl“.
Die FPÖ Niederösterreich sah darin eine Verwechslungsgefahr sowie eine Verletzung ihrer Rechte und klagte die Tagespresse. Das erstinstanzliche Urteil fiel schließlich zugunsten der FPÖ aus, was der OGH im Februar 2025 bestätigte. Das Satireportal wurde wegen „bewusster Täuschung“ und „irreführender Veröffentlichung“ rechtskräftig verurteilt, wobei Kosten von über 100.000 Euro drohten. Davon entfielen rund 40.000 Euro auf Prozesskosten und zusätzlich 62.757 Euro auf die vom OGH genehmigte Urteilsveröffentlichung in den Printmedien „NÖN“ und „Bezirksblätter NÖ“.
Die Tagespresse beglich umgehend die Prozesskosten von 40.000 Euro. Für die vom OGH ausdrücklich genehmigte Urteilsveröffentlichung in den genannten Zeitungen wäre es jedoch an der FPÖ gewesen, innerhalb von vier Wochen entsprechende Einschaltungen zu buchen. Da die FPÖ NÖ diese Frist am 6. März ungenutzt verstreichen ließ, können allfällige Forderungen gegenüber der Tagespresse nicht mehr exekutiert werden. Somit „ersparte“ dies der Satire-Plattform 62.757 Euro.
„Damit ‚schenkt‘ sie uns 62.757 Euro“, wird der Gründer des Onlinemediums, Fritz Jergitsch, in einer APA-Mitteilung zitiert. Aus der Tagespresse-Erfolgsmeldung selbst heißt es: „Für uns beginnt eine Zeit des Wartens. Die Prozesskosten von 40.000 Euro überweisen wir sofort, immerhin respektieren wir Urteile und erwarten dasselbe von den Freiheitlichen. Wir rechnen bereits in der nächsten Woche mit ganzseitigen Urteilsveröffentlichungen in den Bezirksblättern und den NÖN. Doch die vierwöchige Frist verstreicht ohne Veröffentlichung. Damit ist es amtlich: Die Blauen schenken uns 62.757 Euro. Danke für die Unterstützung!“
In der genannten Stellungnahme vermutet die Tagespresse ironisch, dass die FPÖ „das Urteil gar nicht verstanden oder gelesen“ haben könnte. Sie bezieht sich dabei auf parteiinterne Korrespondenzen, die offenbar darauf hindeuten, die FPÖ ginge fälschlich davon aus, die Tagespresse selbst müsse die Urteilsveröffentlichung veranlassen. Das Onlinemedium kommentiert diese Fehleinschätzung mit weiteren spöttischen Bemerkungen, wonach man der FPÖ Niederösterreich „kostenlose Deutschkurse am WIFI“ anbieten wolle.
Vonseiten der FPÖ NÖ kam auf Anfrage der APA keine Reaktion zu diesem Thema. Auch die NÖN und die Bezirksblätter bestätigten, dass bislang keine entsprechende Buchung der FPÖ eingegangen sei.
Quelle: Kurier / Tagespresse