Vor einem halben Jahr wurde in den Medien über einen tätlichen Angriff des Sicherheitspersonals der Wiener Linien auf einen Fahrgast berichtet – diese Darstellung erwies sich nun als falsch.
Wien. Im Juni und Juli vergangenen Jahres erregte der Fall des Wieners Markus L. mediales Aufsehen, der Anzeige erstattet hatte: Nach eigener Darstellung wäre er wegen fehlender MNS-Maske von drei Security-Mitarbeitern der Wiener Linien in der U‑Bahn-Station Karlsplatz tätlich angegriffen bzw. misshandelt worden. Die öffentliche Empörung über den mutmaßlichen Übergriff war groß, doch inzwischen hat sich herausgestellt: Die Geschichte ist nicht wahr. Dies geht aus den Aufnahmen der Überwachungskameras hervor. Die Wahrheit ist vielmehr, dass es wohl eine verbale Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten gab, doch Gewalttätigkeiten seitens des Sicherheitspersonals sind keine auszumachen. Tatsächlich hatte sich das vermeintliche Opfer seine Verletzungen ohne Fremdeinwirkung beim Versuch zugezogen, doch noch in den bereits abfahrenden Zug zu springen. Die Staatsanwaltschaft hatte daher das Verfahren nach Sichtung des Videomaterials eingestellt.
Nun folgte auch noch ein medienrechtlicher Prozess, bei dem die „Kronen Zeitung“ und „Heute“ zur Zahlung von über 21.000 Euro verurteilt wurden – nämlich an die betroffenen Security-Mitarbeiter der Wiener Linien, die in deren Berichterstattung vorverurteilt worden waren. Der Richter sah üble Nachrede und Verletzung der Unschuldsvermutung als gegeben an. Hierzu trug auch die Veröffentlichung eines Videozusammenschnitts bei, der die Situation verfälschend darstellte und einen unzutreffenden Eindruck vermittelte. Zudem waren darauf die drei Mitarbeiter deutlich erkennbar – mit den erwartbaren Folgen eines solchen Medienprangers. Eine fragwürdige Rolle dürfte auch der Anwalt von Markus L. gespielt haben, der den Medien eine irreführende Geschichte über „kriminelles Vorgehen“ der Überwachungsorgane präsentiert hatte. Nicht nur der Boulevard, sondern auch die „Qualitätszeitungen“ übernahmen dies.
Auch in der „Zeitung der Arbeit“ haben wir am 23. Juni 2020 über den Vorfall in der Wiener U‑Bahn berichtet – freilich in Möglichkeitsform und Konjunktiv sowie mit ausgewiesenen Originalzitaten, somit unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung. Trotzdem hinterließ auch unser Bericht gewiss tendenziell den Eindruck, dass die von Markus L. geschilderte Version der Wahrheit entsprechen dürfte. Insofern müssen wir selbstkritisch zur Einschätzung gelangen, dass wir die Ereignisse zumindest zu einseitig beleuchtet haben und vorschnell bereit waren, die Geschichte implizit als glaubwürdig einzustufen. Dies war leichtfertig und, wie wir nun wissen, in dieser Form inkorrekt. Wir bedauern den Fehler, entschuldigen uns dafür und nehmen ihn zum Anlass, unsere Sorgfältigkeit zu erhöhen.
Quelle: Der Standard