Am vergangenen Dienstag verstarb ein allseits beliebtes Wiener Original – seine künstlerische Hauptattraktion war die schonungslose Durchnässung des Publikums.
Wien. Im Alter von 19 Jahren ist Publikumsliebling „Comandante“ im Tiergarten Schönbrunn verstorben. Die männliche Mähnenrobbe war, neben der ansonsten ausgestrahlten wienerischen Gemütlichkeit, vor allem für spektakuläre Sprünge und Bauchplatscher im Zuge der öffentlichen Fütterungen bekannt – aber auch gefürchtet: Wenn sich so ein Tier, das über zwei Meter lang und hunderte Kilogramm schwer ist, mit seiner ganzen Körpermasse ins Wasser fallen lässt, dann sollte man als Zoobesucher besser einen Regenschutz dabeihaben. Bei Wettkampfrichtern im Turmspringen hätte Comandante für diese Eintauchphase wohl keine allzu hohen Noten erhalten, in Schönbrunn waren’s aber immer zehn Punkte ohne Abzüge – zudem, wohl gemerkt, mit einem im Flug geschnappten Fisch im Maul: Das soll Stefan Raab mal nachmachen.
Aber die 2002 im ältesten Zoo der Welt geborene Robbe war keineswegs nur ein Vorführobjekt zur allgemeinen Belustigung. Denn die Bestände der Mähnenrobbe (Otaria flavescens, auch: Südamerikanischer Seelöwe) sind in der Natur in den vergangenen Jahrzehnten stark dezimiert worden, weswegen der Bulle Comandante Teil des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) war, mit dem sich mehrere vernetzte Zoos gezielt um die Arterhaltung bemühen. Daher war Comandante als Wiener „Harem“-Chef auch mehrfacher stolzer Vater einer ganzen Robbenschar, wenngleich viele seiner Nachkommen gemäß EEP an andere Standorte abgegeben wurden. Sein jüngster Sohn, der im Juni 2020 geborene Pablo, lebt aber noch in Schönbrunn. Neues Alphatier im Robbengehege wird der 2017 im Zuge des EEP nach Wien gekommene Carlos, der ein schweres Erbe antritt.
Am vergangenen Dienstag hatte sich Comandantes altersbedingter Gesundheitszustand so weit verschlechtert, dass trotz intensiver veterinärmedizinischer Behandlungen nur noch die Einschläferung blieb. Der Schönbrunner Bauchfleckstar (2002–2021) wird fehlen. Hasta siempre, Comandante!
Quelle: Der Standard