Die niederösterreichische Betoniererallianz aus ÖVP, SPÖ und FPÖ ist außer sich, hat es doch ein Bundesgericht gewagt, sich in Belange des niederösterreichischen Königreichs einzumischen und den Bau der S8 im Bezirk Gänserndorf vorerst zu untersagen.
Wien/St. Pölten/Gänserndorf. Der Bau der Schnellstraße S8 wird nicht wie geplant stattfinden. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung angeordnet.
Das Umweltministerium hatte unter FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer mit dem Bescheid von April 2019 die Umweltverträglichkeit der S8 Marchfeld Schnellstraße im Abschnitt West – Knoten S1/S8 bis Anschlussstelle Gänserndorf/Obersiebenbrunn bestätigt und damit die Errichtung genehmigt. Aufgrund von insgesamt 18 Beschwerden von Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen und Nachbarn gegen den positiven UVP-Bescheid war das BVwG am Zug. Das Verfahren hat laut Aussendung ergeben, dass die „Bestimmungen des Artenschutzes sowohl betreffend den Triel als auch das Ziesel durch den Bau und den Betrieb der S8 verletzt werden“.
Anpassung des Schutzgebiets zurückgewiesen
Nach mehreren Verhandlungstagen im Vorjahr hat ein Senat aus drei Berufsrichtern entschieden. Das Verfahren war der Aussendung zufolge inhaltlich komplex. Weil der Bau der Schnellstraße das Brutareal des vom Aussterben bedrohten Vogels Triel laut Gutachter beeinträchtigen würde, beschloss die niederösterreichische Landesregierung im April 2020 eine Anpassung des Schutzgebiets an den Trassenverlauf der Schnellstraße.
Der Richtersenat kam nun zum Ergebnis, „dass der Bau und der Betrieb der S8 mit den Schutzzielen der relevanten Naturschutzbestimmungen nicht im Einklang steht – insbesondere dem Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes für den Triel. Die Realisierung der S8 würde zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets führen.“ Somit sei eine Alternativenprüfung durchzuführen.
Keine Alternativenprüfung stattgefunden
Weder in der Strategischen Prüfung Verkehr noch im Bewilligungsverfahren der Behörde habe eine ausreichende Alternativenprüfung stattgefunden, führte das BVwG als Mangel an. Daher wurde das Verfahren zur Ergänzung an die Behörde zurückverwiesen. Diese müsse gemäß Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bzw. NÖ Naturschutzgesetz eine Alternativenprüfung für verschiedene mögliche Verkehrslösungen nachholen und (falls die beantragte Streckenführung die naturverträglichste ist) darauf aufbauend eine Interessenabwägung durchführen. Dann „hat die Behörde das Verfahren zu ergänzen oder (falls sie zum Ergebnis kommt, dass die beantragte Streckenführung nicht die naturverträglichste ist) den Bewilligungsantrag abzuweisen“, teilte das Gericht mit.
Ende der S8 hinausgezögert
UVP-Experte Wolfgang Rehm, Sprecher der beschwerdeführenden Umweltorganisation VIRUS und der Bürgerinitiative Marchfeld (BIM) sagte zum Richterspruch: „Es ist gut, dass der seinerzeitige Skandalbescheid für die S8 jetzt annulliert ist, aber so wird das Ende der S8 noch hinausgezögert, das Bundesverwaltungsgericht hätte selbst entscheiden und den Antrag abweisen müssen.“
Die S8 ist eines jener ASFINAG-Neubauvorhaben, die derzeit vom Umwelt- und Verkehrsministerium auf den Klimaschutz und Ressourcenverbrauch evaluiert werden. Der Abschnitt West ist rund 14,4 Kilometer lang und umfährt Raasdorf, Deutsch-Wagram, Markgrafneusiedl, Strasshof, Obersiebenbrunn (alle Bezirk Gänserndorf) und Gänserndorf. Mit der Schnellstraße sollen die an der B8 liegenden Ortsdurchfahrten entlastet werden.
Eine wesentlich einfachere und umweltschonendere Alternative bestünde aber auch darin, anstatt einer Schnellstraße einfach Ortsumfahrungen für die leidgeplagte Bevölkerung der betroffenen Gemeinden zu bauen.
Die ÖVP Niederösterreich betrachtet den Spruch des BVwG offenbar als unzulässige Einmischung in Belange ihres Königreichs und hat in Gestalt des zuständigen Landesrats Schleritzko einen Einspruch angekündigt. Ebenfalls in der Betonfraktion finden sich die SPÖ Niederösterreich, die so gut wie alles unterstützt, was die ÖVP will, und natürlich die FPÖ.