Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
Gerüchte über das baldige Aussterben der Menschheit sind stark übertrieben. Freilich, leere Supermarkt-Regale in der Toilettenpapierabteilung, Hamsterkäufe bei Lebens- und Desinfektionsmitteln, gestresste und verängstigte Menschen, die ihre Wohnungen und Häuser nur noch maskiert verlassen, oder verstärkte Polizeipräsenz und Armeeeinsätze im Inland mögen an das eine oder andere Szenario fiktiver Zombie- und sonstiger Apokalypsen erinnern, doch sind wir einstweilen noch nicht so weit. Und vor allem: Wir haben die Zukunft der Menschheit selbst in der Hand.
Corona-Pandemie und der Umgang damit
Das Corona-Virus SARS-CoV‑2, das die Atemwegs- und Lungenerkrankung CoViD-19 auslöst, hat sich in den vergangenen Monaten auf der Erde pandemisch ausgebreitet. Nach aktuellem Stand der Dinge wurden über 14 Millionen Menschen infiziert, mehr als 600.000 sind mit einer Infektion gestorben. Eine Krankheitsepidemie – früher sprach man von einer Seuche – ist gesellschaftlich und historisch nichts Ungewöhnliches, seien es die Pocken, Masern, Cholera, Typhus, Ebola, Dengue, die zuletzt oft zitierte „Spanische Grippe“, Vogel- oder Schweinegrippe, natürlich die verschiedenen Varianten und Formen der Pest sowie die Verbreitung des Immunschwächevirus HIV, das AIDS verursacht. Auch die jährlichen Influenza-Wellen fallen in diese Kategorie. Es ist nun mal eine Tatsache, dass auf unserem Planeten Viren und Bakterien existieren, die Infektionen und Krankheiten verursachen. Unzählige Menschen sind im Verlauf der Geschichte dadurch gestorben, ganze Landstriche wurden entvölkert, in Amerika trugen Krankheiten zum Genozid an der indigenen Bevölkerung bei. Viruserkrankungen und bakterielle Infektionen sind – zumeist – natürlicher Herkunft und die Menschen müssen wohl oder übel damit umgehen. Die Art ihres Umganges ist allerdings von Bedeutung. Um sich vor Krankheiten zu schützen bzw. diese zu behandeln und einzudämmen, setzt die Menschheit – nachdem früher natürlich auch Gebete, Zaubereiversuche, „Hexen“-Verfolgungen und Judenpogrome ihre Wirkohnmächtigkeit beweisen durften – auf Wissenschaft und Medizin. Wissenschaft und Forschung sollen Ursachen analysieren sowie Behandlungsmethoden, Arzneimittel, Impfstoffe und Strategien einer Eindämmung bzw. Eliminierung von Krankheiten entwickeln. Die Medizin soll dies alles sodann um- und einsetzen, um Leben zu retten. Eine Gesellschaft ist gut beraten, medizinische Forschung umfassend zu ermöglichen und zu forcieren, Medikamente und medizinische Geräte zu produzieren, Ärzte und Ärztinnen auszubilden, Krankenhäuser einzurichten, um die Bevölkerung und deren Gesundheit zu schützen – koste es, was es wolle, denn es gibt kein höheres Gut als das menschliche Leben. Der Kapitalismus sieht das leider ein wenig anders: Sein einziges Ziel ist die Erhöhung des Profits, des finanziellen Gewinns für eine Minderheit – zulasten der Masse der Menschen. Daher beutet der Kapitalismus die Menschen als Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter aus, nützt aber auch sein Herrschaftsinstrument, den bürgerlichen Staat, um noch weiter „nach oben“ umzuverteilen. Dies manifestiert sich in der Steuerpolitik, aber auch in der Budgetmittelaufwendung für unterschiedliche Bereiche. Uns interessiert diesbezüglich zunächst die Ausgestaltung des Gesundheitssystems.
Gesundheitswesen und Gesundheitskrise
Manche Länder verfügen nur über ein rudimentäres öffentliches Gesundheitswesen. In Österreich ist die Lage doch ein wenig besser, was von der Arbeiterbewegung erkämpft wurde, doch die Bourgeoisie und ihre Parteien arbeiten stetig an Verschlechterungen. Sie wollen Einsparungen vornehmen, um das Geld anderweitig zu verprassen. Dies fängt schon bei der medizinischen Ausbildung an: Die Zahl der Studienplätze der Medizinischen Universitäten ist limitiert, als würde oder könne es zu viele Ärztinnen und Ärzte geben – wer in den ländlichen Gebieten Österreichs lebt, weiß sehr gut, dass dies nicht gerade der Fall ist. Um lächerliche Budgetziele auf Bundes‑, Landes- und EU-Ebene zu erreichen, wurden immer wieder Krankenhäuser geschlossen, Abteilungen aufgelassen und die Bettenanzahl reduziert – von allen wechselnden Regierungsparteien, egal welcher Coleur. Weiters gibt es Einsparungen beim Personal – bezüglich Quantität und, insbesondere bei Pfleger/innen, bezüglich Bezahlung –, was zu verstärkter Belastung führt. Gleichzeitig wurde fleißig privatisiert, um sogar aus Erkrankungen und Verletzungen noch maximalen Profit herauszuschlagen. Die Niedertracht ist offensichtlich. Man hat das öffentliche Gesundheitswesen kaputtgespart, dafür aber Selbstbehalte und teure Zusatzversicherungen eingeführt. Und nun, angesichts der Corona-Epidemie, geriet man in der Politik in Panik, da man berechtigt befürchtet, dass die bewusst und gezielt forcierte, permanent reduzierte mangelhafte Leistungsfähigkeit des österreichischen Gesundheitssystems nicht für die Bewältigung ausreicht: dass es zu wenige Krankenhausbetten gibt, zu wenige Intensivbetten, zu wenige Beatmungsgeräte, zu wenig Schutzkleidung und Masken, zu wenig medizinisches Personal. In Österreich war die Belastungsgrenze bislang nicht in Gefahr, in anderen Ländern, darunter hoch entwickelte G7-Staaten wie Italien, Großbritannien und Frankreich, führten die Einsparungen der letzten Jahre und Jahrzehnte rascher zu einer Überforderung: Die Folge war eine hohe Sterblichkeitsrate, da die Erkrankten nicht mehr behandelt werden konnten (nicht weil CoViD-19 von sich aus so tödlich wäre). Wir haben es also, durch die Corona-Pandemie lediglich sichtbar gemacht, mit einer systemischen Gesundheitskrise zu tun. Der Kapitalismus und seine Politik haben sie uns eingebrockt, da ihnen die Profite wichtiger sind als die medizinische Versorgung, die Gesundheit und das Überleben der Bevölkerung. Natürlich bräuchte es eine flächendeckende, hochwertige und leistbare Gesundheitsbetreuung für alle Menschen, ungeachtet dessen, ob gerade eine Virus-Epidemie herrscht oder nicht, ob das Staatsbudget gerade in den roten oder schwarzen Zahlen ist. Doch die wahre Epidemie ist eben der Kapitalismus.
Umwelt- und Klimakrise
Im Zuge der politischen und medialen Corona-Vorherrschaft hatte man zuletzt fast den Eindruck, das vorherige Hauptthema, der Klimawandel, sei einfach abgesagt worden. Aber dass für ein paar Wochen weniger (zivile) Flugzeuge unterwegs sind, macht das Kraut freilich nicht fett. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass der Mensch bereits viel erreicht hat auf dem Gebiet der Umwelt- und Naturzerstörung: Er hat seit der Antike massive Abholzung betrieben und dadurch relevante Gebiete entwaldet oder sogar in Wüsten verwandelt; er hat durch Ausweitung der Landwirtschaft Lebensräume zerstört; er hat verschiedene Tierarten ausgerottet. Doch so richtig in Fahrt kam die Sache erst mit der industriellen Revolution, die wiederum Grundlage der endgültigen Durchsetzung des Kapitalismus war. Mit den gesteigerten Fähigkeiten und Möglichkeiten auf technischem Gebiet war und ist es den Menschen möglich, ob mit Absicht oder nicht, gravierend in Flora und Fauna einzugreifen – und eben auch das Klima zu beeinflussen. Es wurden rund um Fabriken Flüsse vergiftet und die Luft verpestet, es wurde Raubbau an der Natur betrieben und bei der Rohstoffgewinnung rücksichtslos die Landschaft umgegraben (und von Fracking wollen wir gar nicht erst sprechen). Es türmten sich Schutthalden und Müllberge. Heute ist – neben der Überfischung – die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll ein großes Problem für das ozeanische Ökosystem und die marine Tierwelt. Zwischenzeitlich gab es zu wenig Ozon in der Stratosphäre, aber dafür zu viel davon in Bodennähe. Die Regenwälder werden weiter geschrumpft, zugunsten von agrarischen Monokulturen, Massentierhaltung zur Fleischproduktion, für Tropenholzmobiliar und die Energiegewinnung. Ironie am Rande: Das Eindringen des Menschen in zuvor weitgehend unberührte tierische Lebensräume begünstigt Zoonosen, d.h. das Überspringen übertragbarer Infektionskrankheiten vom Tier zum Menschen. Und dann sind da noch die Transportmittel auf Straßen, Meeren, Wasserwegen und in der Luft, die mit Verbrennungsmotoren angetrieben werden: nicht gerade modern, sondern eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts. Gemeinsam mit den industriellen Schornsteinen und Kraftwerken erzeugen sie aus fossilen Brennstoffen Smogwolken, die ganze Städte einhüllen – und natürlich Kohlenstoffdioxid, das mit anderen Treibhausgasen die Erderwärmung und den anthropogenen Klimawandel befördert, indirekt den Meeresspiegel ansteigen und den Eisbären die Schollen unter den Tatzen wegschmelzen lässt.
Ökonomie vs. Ökologie
Kurz gesagt: Es wurde da einiges angerichtet, zulasten von Mensch, Tier und Umwelt. Aber wir haben es dann schon auch bemerkt und es entwickelte sich eine Gegenbewegung, für Umwelt‑, Natur- und Tierschutz, für Nachhaltigkeit, Wiederaufforstung, Bio-Landwirtschaft, Mülltrennung, Recycling, Fahrradwege, erneuerbare Energien und öffentliche Verkehrsmittel. Doch das, was auf positive Weise durchgesetzt werden konnte, reicht natürlich nicht aus. Man möchte meinen, es sei höchst unvernünftig, seinen eigenen Planeten zu zerstören – und das ist es ja auch –, doch ist dieses Kriterium nicht in den Zentralen der wirtschaftlich und politisch Herrschenden angekommen. Hier entscheidet abermals und weiterhin das Profitprimat. Eine „Ökologisierung“ ist nur dann erwünscht, wenn sich dadurch eine gewisse Modernisierung erreichen lässt, die wiederum Basis für neue Profite ist. Was keinen Gewinn abwirft – oder diesen schmälert –, wird blockiert. Riesige monopolkapitalistische Konzerne in den Bereichen Erdöl, Chemie, Automobilindustrie, Energie oder Rüstung, aber auch Lebensmittelmultis und Agrarmonopole interessieren sich nicht einmal für das soziale und gesundheitliche Wohlergehen der Menschheit, geschweige denn für Umwelt, Klima und Tierwelt. In diesem Sinne sind von den gegenwärtigen bürgerlichen Staaten kaum effektive Maßnahmen zu erwarten, denn ihre politischen Akteure stehen im Dienste (und Sold) des Kapitals. Es bleibt bei Lippenbekenntnissen, Ankündigungspolitik und unzureichenden Alibiaktionen. Denn, wie der österreichische Bundeskanzlerdarsteller Kurz kürzlich meinte, man könne doch nicht die kapitalistische Wirtschaft zerstören, um den Planeten zu retten. Die Antwort lautet: Doch, kann man – und muss man. Denn innerhalb der rücksichtslosen „Logik“ des Kapitalismus wird die Menschheit nicht überleben. Es braucht einen umfassenden Systemwechsel.
Krise der bürgerlichen Politik
Dass der Kapitalismus ein zerstörerisches Unterdrückungs- und Ausbeutungssystem ist, mag nicht gerade allen Menschen gemäß marxistischer Analyse bewusst sein, doch sie bemerken es durchaus am eigenen Leibe: Imperialistische Kriege und Interventionen, reaktionäre Umstürze und Terror, Armut und Arbeitslosigkeit, Hunger und Unterversorgung, Vertreibung und Flucht, Diskriminierung und Rassismus fallen nicht vom Himmel und sind weder zufällige Katastrophen noch einfach das Werk böser Menschen. Sie sind das Ergebnis kapitalistischer Herrschaftsmechanismen in sozialer, ökonomischer und politischer Hinsicht. Dass es dagegen Widerstand gibt, ist durchaus natürlich, in unterschiedlichen Formen. Die Antwort der Herrschenden des Spätkapitalismus ist aber immer wieder: Aggression und Repression, autoritäre Politik bis hin zum Faschismus, sowie Militarismus und rechtsextremer Putschismus. Es sind imperialistische Widersprüche, die sich zuspitzen – auch zwischen den imperialistischen Hauptmächten –, und die das Konfliktpotenzial in Richtung eines großen Krieges treiben. Der Kampf um Einflusssphären, Ressourcen und Transportwege, Investitionsmöglichkeiten und billige Arbeitskräfte zwingt die Herrschenden dazu. Einen anderen Kapitalismus und Imperialismus gibt es nicht. Die bürgerliche Herrschaft befindet sich vielerorts in einer Legitimationskrise, was nicht zuletzt im Abstieg und im Zustand der bisherigen Hegemonialmacht USA zutage tritt – allerdings auch in der militärischen, diplomatischen, wirtschaftspolitischen und antisozialen Aggressivität des US-Imperialismus, im Inneren wie nach außen.
Schwindende Legitimation des Demokratismus
In Österreich erleben wir diese politische Krise auf gewissermaßen niedrigerem Niveau – äußerlich fast in Form einer Parodie: Es ist Poser-Politik. Die Bundesregierung – vor allem auf ÖVP-Seite – lebt von Sprechblasen, einstudierten Phrasen und Inszenierungen, die von den fast gleichgeschalteten Medien verbreitet werden, verfügt selbst aber über wenig Substanz und Kompetenz. Dafür erfüllt die türkise Schauspieltruppe umso besser und pflichtbewusster die impliziten Aufträge ihrer Förderer und Financiers, der Unternehmer- und Industriellenverbände, der Banken und Konzerne – und die unterwürfigen Grünen sind keinerlei Gegenpol. Es ist kein Zufall, dass Korruptions- und Bereicherungsfälle, illegale Parteispenden, Käuflichkeit, Vertuschungsversuche, Rechtsbeugung und Postenschacher wie eine Seuche grassieren und die jüngere und aktuelle Geschichte der österreichischen Politik maßgeblich mitschreiben. Doch lenken diese wiederum von den tatsächlichen sozialen Problemen ab. Ähnliches gilt für die isolierte Betrachtung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, von vorgeschobenen Neid- und Islamismus-Diskussionen. Demagogie, Führerkult und Rechtsextremismus gedeihen prächtig, den wirkungslosen Pseudoreformismus der Sozialdemokratie braucht niemand mehr, denn die SPÖ hat selbst genug Mist zu verantworten. Bürgerliche Wahlen werden über finanzielle Mittel, teure PR-Kampagnen und subventionierte Medien entschieden, nicht über Inhalte. Besonders kluge Forscher und Journalisten attestieren „Politikverdrossenheit“, wenn die Wahlbeteiligung wieder sinkt, doch sind es eben die entlarvten Illusionen des bürgerlichen Demokratismus und Parlamentarismus, die zu Vertrauensverlust und Gleichgültigkeit führen. Das kommt dem Kapital durchaus zupass, denn dadurch lassen sich dessen Interessen umso einfacher realisieren. Doch für das gegenwärtige bürgerliche politische System wird dies mittelfristig zur Legitimitäts- und Existenzfrage: Die große Mehrheit hat die Regierungsparteien nicht gewählt. Es gibt letztlich zwei Lösungen: Entweder man bedient sich vermehrt und antizipiert autoritärer Politikformen von oben, was ohnedies permanent vorbereitet wird – auf nationaler wie EU-Ebene –, oder man bringt die morsche Mauer der bürgerlichen Kapitalherrschaft auf progressive Weise von unten zu Fall.
Bürgerliche Wirtschaftskrisenesoterik
Österreich befindet sich – wie die meisten Länder der Welt – im Anfangsstadium einer großen ökonomischen Krise. Solche Krisen treten mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf. Historisch bekannte Fälle markieren z.B. die jeweiligen Ausgangsjahre 1857, 1873, 1929, 1973, 1992, 2000 sowie zuletzt die Weltwirtschaftskrise ab 2007. Die bürgerliche „Wirtschaftswissenschaft“ und die bürgerliche (inklusive der sozialdemokratischen) Politik stehen meist wie die Kühe vor der neuen Stalltür angesichts solcher Ereignisse, die sie als eine Art „Naturphänomen“ für unerklärlich halten. Bisweilen werden punktuelle Vorkommnisse angeführt, die als angebliche Auslöser herhalten müssen: Immobilienkredite, Dotcom-Überbewertungen, Ölembargos, Kriege oder einfach persönliches Fehlverhalten irgendwelcher Banken- oder Börsenmanager. Das ist natürlich Unsinn und soll lediglich vertuschen, dass es der Kapitalismus selbst ist, der gesetzmäßig zu Krisen führt. Die genannten Vorkommnisse sind immer nur selbst Ergebnisse einer bereits latent wirkenden Krise und/oder gleichzeitig deren Beschleuniger – nie aber deren eigentliche Ursache. Nicht anders verhält es sich nun, 2020, mit der Corona-Krise. Das Märchen lautet: Der wirtschaftliche Shut-down hätte einen solchen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht, dass es nun zur Krise kommen muss. Es hätte ja Produktionsschließungen, Einnahmenausfälle und Konsumrückgänge gegeben, weswegen man gänzlich unverschuldet in die Bredouille geraten sei. Doch das ist – bestenfalls – die halbe Wahrheit, in Wirklichkeit gar keine.
Wesen der kapitalistischen Krise
Wirtschaftskrisen sind keine Zufälle und werden nicht punktuell verursacht. Es ist die Systematik der kapitalistischen Produktionsweise, die immer wieder, gesetzmäßig zu zyklischen Krisen führen muss – es kann gar keinen anderen Kapitalismus geben. Der tiefere Grund hierfür liegt im Widerspruch der kapitalistischen Produktion selbst. Einfach erklärt: Der Kapitalist lässt Arbeiter für sich arbeiten, die produzierten Produkte eignet er sich an, die Arbeiter erhalten einen Lohn, der natürlich möglichst gering sein, jedenfalls unter dem Wert der Produkte liegen muss. Denn der Kapitalist will (und muss) ja größtmöglichen Profit durch den Verkauf der Produkte machen. Hier beißt sich die Katze dann aber in den Schwanz: Die potentiellen Käufer der Produkte sind in der großen Überzahl genau jene Arbeiter und ihre Angehörigen, denen die Kapitalisten zuvor möglichst geringe Löhne gezahlt haben. Sie sollen nun Produkte kaufen, die im Prinzip für sie zu teuer sein müssen, denn sonst gäbe es keinen Gewinn für die Kapitalisten. Natürlich kann das – schon rein mathematisch betrachtet – nur eine Zeitlang „gutgehen“. Irgendwann können sich die Arbeiter in ihrer Eigenschaft als Konsumenten die ironischer Weise von ihnen selbst hergestellten Produkte nicht mehr leisten. Der Konsum bricht ein, die Kapitalisten bleiben auf ihren Waren sitzen. Daher spricht man auch von einer Überproduktionskrise. Was scheinbar „zu viel“ produziert wurde, ist jedoch keineswegs zu viel für die Bedürfnisse der Arbeiter/Konsumenten, sondern nur zu viel für deren Geldbörsen. Als Resultat wird nicht weiter produziert, Güter werden vernichtet, Betriebe schließen, Menschen werden arbeitslos – und können sich dann erstrecht nichts mehr leisten –, schließlich gehen auch Unternehmen pleite. Diese Pleitewellen sind für den Kapitalismus aber nur ein Reinigungsprozess: Die großen Unternehmen überleben natürlich und werden noch größer, kleine und mittlere Unternehmen werden schließlich einfach neu etabliert. Durch die Überakkumulation des Kapitals steht den Kapitalisten jedoch auch immer mehr Geld zur Verfügung, als sie in der Produktion profitabel investieren oder privat verprassen können, weswegen es in „nichtmateriellen“ Geschäften – an Börsen und bei Kreditvergaben – „investiert“ wird: Dies ist nichts anderes als Spekulation auf zukünftige Profite in der Produktion. Bleiben diese jedoch aus, so verschlimmern die Spekulationsblasen die Krise zusätzlich. Für die Arbeiter bedeuten Krisen aber immer dasselbe: Arbeitslosigkeit, Unsicherheit der Existenz, Armutsgefährdung oder tatsächliche Armut, Wohnungsnot und Perspektivlosigkeit.
Folgen der kapitalistischen Krise
Auch die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist ein Ergebnis der kapitalistischen Produktionsweise und der mit ihr verbundenen Vermögens- und Einkommensverteilung: Sie wäre ohnedies unausweichlich gewesen. Doch hat der Corona-bedingte Rückgang der Produktion, des Konsums und des Einkommens der Menschen in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit sie vorverlegt, beschleunigt und verschärft. Der Hinweis auf die Epidemiemaßnahmen, womit uns die Regierung beglückt, ist nur ein Ablenkungs- und Täuschungsversuch, um nicht zugeben zu müssen, dass das System selbst nicht funktioniert und nicht funktionieren kann. Die Regierung wird in den kommenden Monaten (und Jahren) zudem alles tun, um die Lasten der Krise auf den Rücken der Arbeiterklasse zu laden, während das Kapital begünstigt werden wird. Letzteres wird Steuergeschenke und Subventionen erhalten, während den Arbeitern reale Lohnverluste – man wird dies auch bei den KV-Verhandlungen sehen – und die Kürzung oder Streichung von Sozialleistungen abverlangt werden. Und schließlich wird die Regierung, gewiss in bester Übereinstimmung mit den „Sozialpartnern“, daran gehen, die bisherigen und künftigen Krisenausgaben auch im Budget wieder einzubringen. Dies wird bedeuten, dass es wieder zu erheblichen Sparmaßnahmen auf Kosten der Bevölkerung kommen wird, etwa in den Bereichen Arbeitslosenunterstützung, Soziales, Bildung, Pensionen oder auch Gesundheit. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man wieder auf die glorreiche Idee kommen wird, doch neuerlich bei Krankenkassen und Krankenhäusern finanzielle Mittel zu streichen, medizinische Leistungen zu reduzieren oder neue Selbstbehalte einzuführen – so schlimm kann eine Epidemie gar nicht sein. Auch die eine oder andere Umwelt- und Klimaschutzmaßnahme, die man sich ganz fix vorgenommen hatte, wird krisenbedingt wohl verschoben oder gänzlich gecancelt werden. Letztlich bedeuten alle „Überwindungs-“ und „Lösungsansätze“ des Kapitals wie des bürgerlichen Staates in Bezug auf die Krise aber immer nur eines: Die Ingangsetzung des nächsten fehlerhaften Zyklus, der wieder in einer Krise enden muss.
Einziger Ausweg: Sozialismus
Mit der kapitalistischen Wirtschaftskrise kulminieren Gesundheits‑, ökologische und politische Krise. Sie sind alle vier krisenhafte Ergebnisse des Kapitalismus selbst, der nun mal auf Profitmacherei und der Vorherrschaft weniger Menschen sowie anarchischer Produktion beruht, nicht auf geplanter Bedürfnisbefriedigung aller Menschen und deren demokratischer Partizipation. Der Kapitalismus ist die Ursache der gegenwärtigen Krisen. Die letzte Wurzel dieser Tatsache liegt im kapitalistischen Privateigentum an den Produktionsmitteln, das heißt Betrieben, Fabriken, Maschinen, Infrastruktur, Grund und Boden, wofür es freilich keinen vernünftigen Grund, geschweige denn eine Rechtfertigung gibt. Es dient dazu, dass eine kleine Schicht immer reicher und reicher wird, während die Distanz zur Masse der Menschen, die für diesen Reichtum schuften sollen, immer größer wird. Die Herrschenden versuchen das mit allerlei Tricks und Lügen zu beschönigen oder zu kaschieren, doch es ist eine Tatsache. Es braucht offenkundig eine andere Wirtschafts- und Gesellschaftsform, wo nicht mehr eine Minderheit die Mehrheit ausbeuten und unterdrücken kann. Diese neue Gesellschaft verlangt, dass die Produktionsmittel gemeinsames Eigentum aller Menschen sind, dass diese gemeinsam darüber verfügen und gemeinsam mit ihnen arbeiten – ohne irgendwelchen privilegierten Leute dann auch noch einen Gewinn für deren Luxusleben abliefern zu müssen. Mit diesem überschüssigen Geld, nachdem die parasitären Kapitalisten nicht mehr ausgehalten werden müssen, lassen sich problemlos verkürzte Arbeitszeit und das Recht auf Arbeit, würdiges Wohnen, sichere Existenz, Bildung, Kultur, Freizeit und – nicht zuletzt – eine hochstehende Gesundheitsversorgung für alle verwirklichen. Durch eine gerechte Verteilung des gesellschaftlich produzierten Reichtums wäre Wohlstand für alle möglich. Politische Entscheidungen wären nicht mehr durch finanzielle Mittel und Korruption beeinflusst und deformiert, sondern würden auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten basieren, wobei alle im gleichen Ausmaß demokratische Mitbestimmung ausüben können. Eine planmäßige Produktion würde sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, nicht an der profitträchtigsten Investitionschance, wodurch auch Wirtschaftskrisen der Vergangenheit angehören würden. Und nicht zuletzt ließe sich durch eine nachhaltige und umweltverträgliche Produktion, deren Ergebnisse und technische Fortschritte am Wohl von Mensch, Tier und Umwelt anstatt von Profitaussichten gemessen werden, ein Planet schaffen, der noch länger für die Menschheit und alle anderen Lebewesen bewohnbar bleibt. Eine solche Gesellschaft nennt sich Sozialismus und ist eine Notwendigkeit, wenn wir der gegenwärtigen Krisenerscheinungen Herr werden möchten.