HomePanoramaWien 2022: Rekord an Opfern von Gewalt in der Familie

Wien 2022: Rekord an Opfern von Gewalt in der Familie

Der Tätigkeitsbericht der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie hat unlängst bisher nie dagewesene Zahlen für das Vorjahr veröffentlicht. Es gibt mehrere vermutete Gründe für diesen traurigen Rekord.

Wien. Bereits im Jahr 2021 verzeichnete die Interventionsstelle einen Höchststand in Bezug auf die durchgeführten Beratungen. Damals wurden knapp 6.500 Klientinnen und Klienten unterstützt. Allerdings wurde dieser Rekord im Jahr 2022 erneut gebrochen, als insgesamt 6.758 Personen beraten wurden, hauptsächlich Frauen und Kinder. Im kürzlich veröffentlichten Jahresbericht der Interventionsstelle wird darauf hingewiesen, dass es keine klare Erklärung für diesen erneuten Rekord gibt, jedoch einige Vermutungen in diesem Zusammenhang geäußert werden.

Betroffene Personen gezählt, nicht nur die Orte

Erwähnt wird beispielsweise das neue Gewaltschutzgesetz, das seit 2020 in Kraft ist. Seit diesem Zeitpunkt wurden neben Betretungsverboten auch personenbezogene Annäherungsverbote eingeführt. Das bedeutet, dass eine Person, die eine Gefahr darstellt, sich dem Opfer nicht innerhalb eines Umkreises von 100 Metern nähern darf. Im Gegensatz dazu beschränkt sich ein Betretungsverbot beispielsweise auf den Wohnort des Opfers. Dies zeigt eine verstärkte Ausrichtung auf die Betroffenen seit der Einführung. Ebenfalls wurde die Zählweise der Betretungsverbote angepasst, denn anstelle der betroffenen Orte wird nun nach den betroffenen Personen gezählt.

Die Interventionsstelle gibt jedoch an, dass noch Unklarheit darüber herrsche, ob dies die alleinige Erklärung für den Rekord sei. Es sei auch denkbar, dass immer mehr Betroffene den Mut aufbrächten, über ihre Erfahrungen mit Gewalt zu sprechen und tatsächlich Hilfe zu suchen. Im Tätigkeitsbericht der Interventionsstelle wird darauf hingewiesen, dass möglicherweise ein gesteigertes gesellschaftliches Bewusstsein für häusliche Gewalt existiere. Das könnte zur Folge haben, dass die Stigmatisierung der Opfer abnimmt und die Dunkelziffer von solcher Gewalt reduziert wird.

Unterschiede innerhalb von Wien

Die Anzahl der Betretungs- und Annäherungsverbote weist teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den Bezirken auf. Insgesamt wurden im vorangegangenen Jahr in Wien 4.213 solcher Verbote erlassen, was knapp 22 pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner entspricht. Die höchsten Werte, bezogen auf die Bevölkerung, wurden in Floridsdorf mit 32,6 pro 10.000 Menschen und in der Inneren Stadt mit 29,3 verzeichnet. Die geringsten Zahlen gab es hingegen in den Bezirken Neubau, Alsergrund und Josefstadt, die als ein gemeinsamer Polizeibezirk fungieren: Hier wurden lediglich 13,7 Verbote pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner gezählt.

Auch Zunahme von Gewalt möglich

Es wird zugleich vermutet, dass die Gewalt zugenommen haben könnte. Alternativ könnte die Polizei aufgrund einer gesteigerten Sensibilität vermehrt Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt haben, wie von der Wiener Interventionsstelle angenommen wird. Es ist jedoch bemerkenswert, dass die Meldungen der Polizei an die Interventionsstelle ebenfalls auf einem Rekordniveau liegen. Im Jahr 2022 wurden 4.693 Meldungen verzeichnet, während es im Jahr 2021 etwas mehr als 4.300 waren. Vor der Einführung des neuen Gewaltschutzgesetzes belief sich diese Zahl auf etwa 3.500 pro Jahr. Neben Betretungs- und Annäherungsverboten werden von der Polizei auch Anzeigen im Zusammenhang mit Stalking, anderen relevanten strafbaren Handlungen und Streitschlichtungen gemeldet.

Quelle: ORF

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