Grund war das Zeigen einer Palästina-Flagge auf dem Schulhof. Durch die Suspendierung der Schüler wurden die Opfer einfach so zu Tätern umgemünzt, da das „Gutheißen terroristischer Attacken auf Israel“ im Raum steht. Doch weder für das Gutheißen von Terrorismus noch für eine Handlung des Lehrers aus Notwehr stehen Zeugen bereit.
Berlin. Häufig zum Thema gemacht wird das schwierige Dasein, das Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen in überfüllten Klassenräumen und mit unbändigen pubertierenden Schülerinnen und Schülern fristen müssen. Dass umgekehrt das Potential zur regelrechten tätlichen Gewaltbereitschaft auch beim Lehrpersonal zu finden ist, wird weniger oft thematisiert.
Diese Tat ereignete sich auf dem Schulhof des Ernst-Abbe-Gymnasiums in Berlin-Neukölln. Zum Teil wurde sie gefilmt und ist im Netz abrufbar. Es geht um einen 61-jährigen Lehrer, der einem 15-Jährigen einen Schlag ins Gesicht versetzt, weil dieser gemeinsam mit einem 14-jährigen Schüler zuvor eine Palästina-Flagge gezeigt hatte. Der Tathergang wurde der Polizei derlei geschildert: Der Lehrer soll den 14-Jährigen für das Zeigen der Palästina-Flagge zunächst ermahnt haben. Danach habe er sie ihm mit Gewalt entreißen wollen, woraufhin ihm der 15-Jährige einen Kopfstoß verpasst haben soll. Daraufhin erst habe der Lehrer mit einer Ohrfeige reagiert. Danach, und das ist neben dem Schlag ins Gesicht auch auf den Videos erkennbar, gab der Schüler in Verteidigungspose dem Lehrer einen Tritt in die Magengrube. Nur ist fraglich, ob sich die erste Hälfte der Auseinandersetzung auch tatsächlich so zugetragen haben mag, denn keiner bzw. keine der zur Tatzeit Anwesenden konnte im Nachhinein einen vom Schüler ausgegangenen Kopfstoß bestätigen.
Völlig verquere Herangehensweise der Schulleitung
Die Polizei registrierte gegenseitige Anklagen wegen Körperverletzung. Gemäß einer Aussage einer Polizeisprecherin fanden keine Festnahmen statt. Informationen zufolge, die rbb|24 von Quellen aus dem schulischen Umfeld erhalten hat, versammelte sich die Schulleitung des Gymnasiums am Montagnachmittag zu einer Krisensitzung.
Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gab keine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen den Lehrer ab. „Wir warten die Polizeilichen Ermittlungen ab. Um disziplinarrechtliche Folgen gegen den Lehrer einzuleiten, muss uns der Sachverhalt vorliegen.“ Die Schulaufsicht und die Schulleitung stünden in Kontakt mit den Betroffenen. Zudem würden „intensive Befragungen“ stattfinden. „Klar ist: Lehrkräfte dürfen gegenüber Schülerinnen und Schülern nicht übergriffig oder gar gewalttätig werden,“ so die Senatsverwaltung. Trotzdem wurde gegen die beiden betroffenen Schüler Sofortmaßnahmen ergriffen:
„Zwei an der Auseinandersetzung beteiligte Schüler, die gegenüber dem Lehrer tätlich geworden sein sollen, sind zunächst bis zum Ende der Woche suspendiert, auch eine Klassenkonferenz wird anberaumt“, so die Bildungsverwaltung hierzu.
Um die sehr ungewöhnliche Herangehensweise rechtfertigen zu können, werden die Schüler in den Mittelpunkt gedrängt: „Oberste Priorität für uns hat die Sicherstellung des Schulfriedens. Ein Gutheißen der terroristischen Attacken auf Israel werden wir auf unseren Schulhöfen nicht tolerieren.“
Kaum vorstellbar, aber nachdem ein Schüler von einem gewaltbereiten Lehrer regelrecht tätlich für etwas angegriffen wurde, das sich unzweifelhaft im Bereich der Meinungsfreiheit bewegt, wird das gänzlich supponierte „Gutheißen von terroristischen Attacken“ als Totschlagargument ausgepackt. Damit soll wohl dem immensen Image-Schaden der Schule, die gänzlich fahrlässig mit einer offensichtlich radikalisierten Lehrperson umgegangen ist und bis dato umgeht, zuvorgekommen werden. Dass sich der Lehrer gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern ebenso intolerant gezeigt hat, ist wohl nebensächlich. Oder dass bereits der Versuch des Aus-der-Hand-Reißens der Flagge ein Schritt zu viel heraus aus dem Kompetenzbereich des Lehrers war, wodurch der Streit erst eskalierte, wird ebenfalls ausgeklammert.
Lehrer für rabiate Intoleranz bekannt
Die Elternvertretung des Ernst-Abbe-Gymnasiums plante als Reaktion auf den Vorfall eine Kundgebung vor der Schule unter dem Slogan „Kein Platz für Rassismus, kein Platz für Gewalt“. M. El-Houschi, eine Elternvertreterin, erklärte gegenüber den Medien am Dienstag, dass der Lehrer als Auslöser der Gewalt angesehen wird. Kein anwesender Schüler konnte den behaupteten Kopfstoß bestätigen, und es wird argumentiert, dass der Schüler aus Notwehr gehandelt habe.
Darüber hinaus wurde betont, dass dies nicht der erste Vorfall im Zusammenhang mit genau diesem fraglichen Lehrer war. Vor zwei Wochen soll der Lehrer eine Schülerin aus der Klasse geworfen haben, die eine Halskette mit der Palästina-Flagge trug. El-Houschi berichtete, dass er befahl, sie solle die Kette verstecken, und als sie dies nicht verstand, soll er provokativ hinter ihr hergelaufen sein, als sie auf die Toilette ging, und sie weinend zur Schulleitung gebracht haben.
Quellen: Tagesschau / rbb24