Havanna. Nach einem kompletten Zusammenbruch des Nationalen Stromsystems (SEN) hat Kuba am Samstag begonnen, die Energieversorgung schrittweise wiederherzustellen. Doch die Situation bleibt prekär. Nur 16 Prozent der Bevölkerung hatten am Nachmittag wieder Zugang zu Strom, wie Alfredo López Valdés, Generaldirektor der Unión Eléctrica (UNE), bekanntgab. Der Fortschritt bei der Wiederherstellung des Netzes sei schwierig, da das System weiterhin äußerst instabil ist. Die anhaltenden Probleme sind jedoch nicht nur auf technische Herausforderungen zurückzuführen, sondern auch auf die Folgen des seit Jahrzehnten bestehenden US-Embargos.
Seit mehr als 60 Jahren leidet Kuba unter dem Wirtschafts‑, Handels- und Finanzembargo der USA. Diese Blockade hat das Ziel, die kubanische Wirtschaft zu destabilisieren, indem sie Zugang zu wichtigen Ressourcen und Märkten einschränkt. Durch die Aufnahme Kubas in die US-Liste der angeblichen Terrorunterstützerstaaten haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen noch weiter verschlechtert. Das Embargo und die damit verbundenen Sanktionen haben zu steigenden Kosten für Geschäfte mit ausländischen Investitionen geführt und zur Kündigung von Handelsverträgen sowie Kooperationsprojekten.
In der Zeitspanne von März 2023 bis Februar 2024 musste Kuba aufgrund der Verlagerung seines Handels zu weiter entfernten Märkten Verluste von schätzungsweise 581,7 Millionen US-Dollar hinnehmen. Der Handel mit Drittstaaten wird zusätzlich durch ein System von US-Sanktionen gegen internationale Unternehmen, die mit Kuba Geschäfte machen, erschwert. Diese Maßnahmen treiben die Kosten für den Außenhandel weiter in die Höhe und erschweren den Zugang zu dringend benötigten Gütern und Technologien.
Der Energiesektor leidet besonders stark unter den Auswirkungen der Blockade. Seit 2019 haben US-Sanktionen die Lieferung von Treibstoff nach Kuba erheblich erschwert. Im selben Jahr wurden 53 Schiffe und 27 Unternehmen von den USA sanktioniert, weil sie Treibstofflieferungen nach Kuba durchgeführt hatten. Diese Maßnahmen haben die Versorgung des Landes mit Brennstoffen massiv eingeschränkt, was die Energiekrise weiter verschärft hat.
Diese Handelshemmnisse und Finanzsanktionen erschweren es der Unión Eléctrica, die notwendigen Wartungsarbeiten an den thermischen Kraftwerken des Landes durchzuführen. Laut dem aktuellen Bericht der kubanischen Regierung sind 13 von 15 thermischen Einheiten aufgrund fehlender Mittel außer Betrieb, da sie seit über drei Wartungszyklen, die normalerweise alle fünf Jahre durchgeführt werden, nicht mehr instand gehalten werden konnten. Der Mangel an Investitionen hat auch zu einem erhöhten Verbrauch an Brennstoffen geführt, da die veralteten Anlagen ineffizient arbeiten.
Neben der Energiekrise bereitet sich Kuba auch auf die Ankunft des Hurrikans Oscar vor, der sich schnell nördlich der Dominikanischen Republik entwickelt hat. Der Hurrikan hat inzwischen Windgeschwindigkeiten von 130 Kilometern pro Stunde erreicht und könnte die östlichen Regionen Kubas schwer treffen. Die ohnehin schon angespannte Energieversorgung könnte durch den Sturm weiter beeinträchtigt werden, da die Infrastruktur in einem kritischen Zustand ist.
Präsident Díaz-Canel betonte die Dringlichkeit der Vorbereitungen und die Notwendigkeit, die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen und zu schützen. Besonders in den gefährdeten Gebieten im Osten des Landes sei es wichtig, die Menschen persönlich zu informieren, da die andauernden Stromausfälle die Kommunikation erheblich erschweren.
Die Kombination aus der schwerwiegenden Energiekrise, den wirtschaftlichen Einschränkungen durch das US-Embargo und der drohenden Naturkatastrophe stellt Kuba vor immense Herausforderungen. Während die Regierung versucht, die Energieversorgung Schritt für Schritt zu stabilisieren, steht sie gleichzeitig vor der Aufgabe, die Sicherheit der Bevölkerung angesichts des herannahenden Hurrikans zu gewährleisten.
Die kubanische Regierung ruft die Bevölkerung zur Vorsicht auf und betont, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um sowohl die Energieversorgung wiederherzustellen als auch die Auswirkungen des Hurrikans zu minimieren.