Mit üblen Praktiken werden die Güter kreuz und quer durch Europa gekarrt. Die Leidtragenden sind die Chauffeure, deren Arbeitsalltag häufig alles andere als der eines „king of the road“ ist.
Österreich/EU. Die Freiheit des Güterverkehrs gehört zu den heiligen Kühen des EU-Binnenmarktes. Aber nicht nur die Güter sollen sich frei bewegen, sondern auch die Vehikel, die sie transportieren und mit ihnen die Fahrerinnen und Fahrer der schweren LKWs. Aber Freiheit ist hier nicht im Sinne des „king of the road“ gemeint, sondern die Freiheit der Frächter, den Fahrern alles abzupressen.
Fahren ohne Ruhezeiten
Gemeinsam mit Gewerkschaften und Organisationen aus Polen, Slowenien, Belgien, Tschechien und Deutschland rief die österreichische Gewerkschaft vida im Februar 2020 das Projekt „TransFair“ ins Leben. Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen von BerufskraftfahrerInnen im europäischen Straßengüterverkehr. „Leider müssen wir feststellen, dass viele zentraleuropäische Logistikunternehmen ihre Niederlassungen zum Beispiel in Slowenien errichtet haben. Die Lenker fahren permanent in Österreich oder zwischen Österreich und Deutschland, bekommen aber nur den slowenischen Lohn“, erklärt Karl Delfs, Bundessekretär des Fachbereichs Straße der Gewerkschaft vida: „Gesetzlich hat jeder Fahrer eine Fahrerkarte. Diese Karten sorgen dafür, dass Ruhezeiten eingehalten werden. Man kann das Fahrzeug zum Beispiel gar nicht starten, wenn Ruhezeiten nicht eingehalten werden. Die Unternehmen nötigen aber das Personal, illegal mit zwei Fahrerkarten zu fahren, um das System zu umgehen. Die Strafen, die sie dafür bekommen, müssen sie oft selbst zahlen, wenn sie mit der Arbeit fortfahren möchten.“
Übermüdung, Erschöpfung, tödliche Unfälle
Ein Vorfall vom vorgen Wochenende bestätigt die Warnungen der Gewerkschaft. Ein türkischer LKW-Lenker soll 6.000 Kilometer in acht Tagen gefahren sein. Bei einer Polizeikontrolle auf der Innkreisautobahn wurde der sichtlich übermüdete Fahrer, der sämtliche Ruhezeiten unterschritten hatte, gestoppt. „Die Fahrer können nichts dafür. Sie werden ja von ihren Chefs zu solchen Harakiri-Aktionen gezwungen. Und am Ende geht es um das Einkommen, das auch noch zu niedrig ist“, sagt Delfs.
Die Frächter-Unternehmen bräuchten sich aufgrund des Kontrollversagen in Österreich auch nicht davor zu fürchten, entdeckt zu werden. „Die Weigerung des Finanzministers, hier eine vernünftige Kontrolle einzuführen und die Finanzpolizei endlich aufzustocken, lässt nur mehr den Schluss zu, dass es sich bei ihm um einen Mittäter handelt“, sagt Gewerkschafter Delfs. „Scheinbar ist es gewollt, billige Arbeitskräfte aus Südosteuropa für ausgelagerte österreichische Unternehmen fahren zu lassen.“ Und da sind wir wieder bei der EU und ihren heiligen Kühen. Es muss gefahren werden, koste es, was es wolle, manchmal sogar Menschenleben, denn nicht selten sterben vollkommen übermüdete Fahrer bei Verkehrsunfällen, wie erst kürzlich ebenfalls auch der Innkreisautobahn A8, wo ein Fahrer ungebremst in einen im Stau stehenden anderen LKW hineingefahren und tödlich verunglückt ist.