75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz eröffnet die Grazer Oper am Freitag mit der Premiere der „Passagierin“ die neue Saison.
Graz. Die Grazer Opern-Intendantin Nora Schmidt sieht es als ein Gebot der Stunde, einmal mehr gegen das Vergessen anzutreten – „dann brauchen wir die Stimmen. Aber was ist, wenn die Stimmen verhallt sind? Genau damit beschäftigt sich diese Oper. Da haben wir die Chance, dass wir durch Musiktheater aufwühlen, erinnern können – und nicht bewerten, sondern unsere Zuschauer konfrontieren“.
„Die Passagierin“ basiert auf der gleichnamigen Novelle der Auschwitz-Überlebenden Zofia Posmysz und handelt von einer ehemaligen KZ-Insassin, die auf einer Schiffs-Überfahrt eine ehemalige KZ-Aufseherin zu erkennen glaubt.
Die heute 96-jährige Autorin Zofia Posmysz ist auch im Rahmen einer Ausstellung in Interviews und Bildern in der Grazer Oper zu erleben. Sie ist eine ganz besondere Persönlichkeit, wie Dramaturgin Marlene Hahn schildert, die Posmysz mit einem Team der Oper in ihrer Heimat Polen besucht hat: „Sie ist durchdrungen von einem unglaublichen Lebenswillen. Und sie sagt, sie ist schuldig, dass sie das überlebt hat – und will, dass die Stimmen nicht in Vergessenheit geraten“. Es sei wichtig, über das Vergangene zu sprechen, damit es morgen besser wird.
1968 verfasst – 2010 erstmals aufgeführt
Basierend auf diesem Libretto konnte der polnisch-jüdische Komponist Mieczyslaw Weinberg die düstere Erzählung in ein engmaschiges musikalisches Spektrum gießen: „Er nutzt ganz viel andere Musik, fremde Musik, da ist ganz viel Jazz, und zwar Jazz dieser Zeit, und ich finde das enorm, wie toll Weinberg in diesen Jazz hineingehört hat“, erklärt Roland Kluttig, Chefdirigent der Grazer Oper, der die Produktion gemeinsam mit der ehemaligen Chefdirigentin Oksana Lyniv zur Aufführung bringt.
„Die Passagierin“ kam erstmals 2010 bei den Bregenzer Festspielen zu einer szenischen Aufführung, obwohl sie 1968 verfasst wurde: „Es ist umso tragischer, dass er dieses Stück nie selbst hören konnte – es ist ja erst seit zehn Jahren bekannt, und macht im Moment eine Reise um die ganze Welt“, so Kluttnig.
Vor der Grazer Oper werden am Freitag auch drei sogenannte Stolpersteine verlegt – zum Gedenken und stellvertretend für die von den Nazis vertriebenen Künstlerinnen und Künstler des Hauses.
Quelle: ORF Steiermark