Die menschliche Geschichte ist komplex und vielschichtig, weit über die einfache Interaktion von Genen und Ökologie hinaus. Die neuesten Erkenntnisse einer im Fachjournal „Nature Human Behaviour“ veröffentlichten Studie verdeutlichen dies besonders im Kontext der Gravettienkultur in Europa vor etwa 34.000 bis 24.000 Jahren. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Erstautor Jack Baker von der Universität Bordeaux analysierte 134 Schmuckstücke, die an 112 Fundorten aus dieser altsteinzeitlichen Epoche entdeckt wurden. Die Studie berücksichtigte auch Funde in und um Krems (Niederösterreich).
Die Forscher identifizierten neun verschiedene Kulturkreise, die Europa in dieser Zeit bewohnten. Schmuckstücke spielten dabei eine zentrale Rolle, da sie Einblicke in die kulturellen Beziehungen der damaligen Gruppen zueinander ermöglichen. Die Studie bezog Informationen von 17 Gräberstätten mit Überresten von 32 Individuen ein, darunter die einzigartige Grabstätte am Wachtberg in Krems, wo im Jahr 2005 eine Doppelbestattung von Säuglingen unter einem Mammut-Schulterblatt entdeckt wurde.
Die Forscher betonen, dass Schmuckgegenstände aufgrund ihrer vermuteten täglichen Verwendung besonders aufschlussreich für kulturelle Zugehörigkeiten sind. In der Gravettienkultur erlebte die Herstellung verschiedener Schmuckobjekte aus Muschelschalen, Tierknochen, Zähnen, Geweihen und anderen Materialien einen starken Aufschwung. Diese Objekte könnten als Erkennungsmerkmale für die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen gedient haben.
Die statistischen Analysen deuten darauf hin, dass es über einen längeren Zeitraum hinweg neun Kulturkreise gegeben haben könnte. Interessanterweise zeigen die Ergebnisse, dass die vermuteten Zugehörigkeiten nicht nur durch geografische Nähe bestimmt wurden. So wurden beispielsweise Funde aus dem heutigen Niederösterreich dem zentraleuropäischen Kulturkreis zugeordnet, obwohl genetische Daten eher auf eine Zuordnung zu osteuropäischen Clustern hinweisen.
Die Studie hebt hervor, dass die Gravettienzeit in Europa eine breitere Palette an kulturell verbundenen Gruppen aufwies als bisher angenommen. Die neuen Erkenntnisse ermöglichen eine tiefere Einsicht in die komplexe Geschichte der frühesten Menschen in Europa und betonen die Bedeutung von Schmuck als kulturelles Ausdrucksmittel.
Quelle: Nature Human Behaviour