Klingt seltsam, ist aber so: Der überraschende (!) Eishockey-Weltmeister 2021 heißt Kanada. Titelverteidiger Finnland wurde im Finale entthront.
Riga. Der neue Eishockey-Weltmeister heißt Team Canada. Normalerweise kaum eine besondere Erwähnung wert, ist es in diesem Jahr eine Überraschung. Denn die Nordamerikaner waren mit einem jungen Team zum Turnier in Lettland angereist, das zunächst gehörig Lehrgeld bezahlen musste: Gleich vier Niederlagen in sieben Spielen hatte man in der Vorrunde zu schlucken, der Aufstieg ins Viertelfinale gelang mit viel Glück und deutscher Schützenhilfe sowie letztlich eher unverdient. Danach erfolgte jedoch die überraschende Steigerung: Im ersten K.O.-Duell überwand man mit Russland einen der Turnierfavoriten, wenngleich knapp (2:1 n.V.), im Semifinale ließ man den bis dahin starken USA dann schon weniger Chancen (4:2). Somit kam es am vergangenen Sonntagabend zum Endspiel gegen Titelverteidiger Finnland – und abermals waren die Kanadier Außenseiter. Prompt gingen die Finnen auch zweimal in Führung (9., 46.), Kanada benötigte jeweils ein Power-Play, um auszugleichen (25., 53.) und sich in die Overtime zu retten – und da gelang Nick Paul in der siebenten Verlängerungsminute das Goldtor.
Im Spiel um die Bronzemedaille hielten sich die USA mit einem klaren 6:1 gegen die BRD schadlos – das Team des Deutschen Eishockey-Bundes kann dennoch als eine weitere positive Turnierüberraschung gelten. Ähnliches gilt für Gastgeber Lettland sowie die WM-Sensation Kasachstan, obwohl beide das Viertelfinale knapp verpassten. Weniger zufrieden ist hingegen Schweden, milde formuliert: Die Skandinavier – durchaus einer der Titelfavoriten – scheiterten ebenfalls schon in der Vorrunde und erreichten erstmals seit 1937 nicht die Top‑8, was somit als historische Blamage zu werten ist. Apropos Geschichte: Mit dem 27. Titelgewinn zog Kanada gemäß IIHF-Statistik nun wieder mit Russland (inkl. UdSSR) gleich und ist somit geteilter Rekordchampion. Mit gehörigem Abstand folgen Tschechien (inkl. Tschechoslowakei) mit zwölf WM-Siegen, Schweden mit elf sowie Finnland, das nach der unnötigen Niederlage im diesjährigen Finale weiter bei drei Titeln hält. Österreich kommt im ewigen WM-Medaillenspiegel (seit 1920) übrigens auf Platz 11, nämlich mit zwei – etwas angestaubten – Bronzemedaillen (1931, 1947).
Politische Provokation am Rande
Im Hintergrund war die Eishockey-Weltmeisterschaft in Lettland einigermaßen von Querelen der internationalen Politik und imperialistischer Einmischungen geprägt: Ursprünglich war geplant gewesen, das Turnier in zwei Ländern auszutragen, doch der Co-Gastgeber Weißrussland wurde nach politischem Druck aus den USA und der EU abserviert – alle Spiele fanden daher in der lettischen Hauptstadt Riga statt. Deren Bürgermeister setzte während des Turniers noch eine Provokation hinzu. An mehreren Plätzen Rigas waren die Flaggen der teilnehmenden Nationen gehisst worden, doch im weißrussischen Fall entschied man sich für einen politischen und diplomatischen Skandal: Denn es wurde nicht die amtliche rot-grüne Fahne von Belarus aufgezogen, sondern das weiß-rot-weiße Banner, das gegenwärtig die Opposition verwendet – dass dies während des Zweiten Weltkrieges freilich auch die weißrussischen Nazi-Kollaborateure taten, ist in Riga vermutlich ebenso bekannt wie in Minsk. Insofern kann man vielleicht froh sein, dass die lettischen Behörden nicht noch konsequent weitergingen und für die USA die Konföderiertenflagge oder für Deutschland eine Hakenkreuzfahne hissten…
Derartiges ist bei der nächsten WM, die 2022 in Helsinki und Tampere stattfinden wird, nicht zu erwarten – die Finnen werden sich bei ihrem Heimturnier wohl darauf konzentrieren, die Niederlage des Rigaer Endspieles wettzumachen. Die WM 2022 weist übrigens ein unverändertes Teilnehmerfeld auf, was der Corona-Pandemie geschuldet ist: 2020 waren alle Turniere – auf allen Ebenen – abgesagt worden (d.h. Finnland war heuer Titelverteidiger von 2019), und 2021 wurde lediglich das Turnier der Top-Division durchgeführt. Das bedeutet, dass auf den unteren Ebenen keine Aufsteiger ermittelt wurden, weswegen es nun auch keine Absteiger gibt – die Gruppenletzten Weißrussland und Italien (stark ersatz‑, weil CoViD-geschwächt) sind auch in Finnland wieder dabei. Daher hatte auch Österreich heuer keine Möglichkeit, sich in der Division IA für die WM 2022 der Top-Division zu qualifizieren, was durchaus im Bereich des Möglichen gelegen wäre. Die österreichische Aufstiegsmission muss also auf nächstes Jahr verlegt werden.
Quelle: ORF