HomeInternationalesItalienische Oberschüler werden mit Augenbinde geprüft

Italienische Oberschüler werden mit Augenbinde geprüft

Unterricht unter Pandemievoraussetzungen stellt Lehrpersonen und Schüler vor großen Herausforderungen. Um Testsituationen unter Kontrolle zu behalten, greift man mancherorts zu unorthodoxen Mitteln: Aus Verona gelangten verstörende Bilder von Schülern an die Öffentlichkeit, die mit verbundenen Augen geprüft wurden.

Verona. Das seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie durchgesetzte Distance-Learning stellt seit einem Jahr weltweit Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen vor große didaktische Herausforderungen. In Kärnten haben sich unlängst Nachhilfeinstitute zu Wort gemeldet und eine mehr als kritische Bilanz verzeichnet – ihnen zufolge würde die Umstellung auf Distance-Learning Bildungslücken und eine stärkere Nachfrage von Nachhilfeunterricht verursachen.

Seit längerem versuchen Lehrpersonen das Problem zu lösen, wie man Schülerinnen und Schüler, aber auch Studierende auf Universitäten vom Schwindeln abhalten könnte – etwa dadurch, dass man ihnen bei der Lösung von Testaufgaben einen Bruchteil der Zeit zuspricht, die man unter normalen Umständen für die Lösung der Testfragen benötigen würde, um ihnen nicht die Zeit zu geben, vom Schulbuch oder aus dem Internet ab- bzw. nachlesen zu können. Für Schülerinnen und Schüler sind Tests und Schularbeiten Momente höchster nervlicher Anspannung – manche leiden in Stresssituationen etwa unter Blackouts und können das Gelernte vor Aufregung nicht einmal mehr ansatzweise dem Prüfenden darlegen. In Krisensituationen wären deshalb umso mehr Momente der Zuvorkommenheit und der gegenseitigen Solidarität angebracht, gerade wenn es so offensichtlich ist, dass alle unter der Situation leiden. 

Warum nicht gleich eine Erschießungskommando-Simulation?

In einer Oberschule in Verona kam die Lehrerin auf eine besonders spitzfindige Idee, nachdem die Schülerin in ihrer Deutschprüfung geglänzt hatte und alle Fragen flüssig beantworten konnte: Sie forderte die Schülerin vor den Augen aller zugeschalteten Mitschüler dazu auf, einen Schal oder irgendeinen Stoff zur Hand zu nehmen und sich damit die Augen zu verbinden. Eine Verweigerung hätte bedeutet, den Test vorzeitig und wahrscheinlich mit einer ungenügenden Note zu beenden. 

„Ich habe mich unwohl gefühlt, als würden sie mich des Betrugs beschuldigen“, konstatierte die Schülerin vor Schulvertretern und Vertretern des Netzwerks der Oberschüler von Verona.

„Es ist so schon eine schwierige Zeit, wir verstehen nicht, wie man auf die Idee kommen kann, die Kinder auf diese Weise zu demütigen“, sagte die Vertreterin des Schüler-Netzwerks Camilla Velotta. 

Mitschüler haben den Bildschirm fotografiert und die Fotos weiterverbreitet, sie landeten auch in den Gruppenchats der Eltern und sorgten für einhellige Empörung. Ob gegen solche Methoden vorgegangen wird, ist indes noch unklar. Nach außen hin vermitteln sie jedoch ein unethisches und darüber hinaus sehr verstörendes Bild, da sie zumindest optisch Ähnlichkeiten mit einem Gang zum Schafott oder zu den Aufnahmen von Opfern gewöhnlicher Geiselnahmen aufweisen. 

Nicht gleichzusetzen mit dem Scafati-Skandal

Aus den Medien ist zu erfahren, dass die Methode nicht zum ersten Mal angewendet worden ist: Eine ähnliche Szene spielte sich bereits im Oktober 2020 in der Oberschule Cacciopoli in Scafati (Kampanien) ab, damals ging es um eine Lehrerin, die in einem klassischen Lyzeum Griechisch und Latein unterrichtete und die scheinbar ebenfalls sichergehen wollte, dass die Schülerinnen und Schüler nicht mogelten. Von jener Situation sind noch mehr Fotos in die Medien gelangt, bei der Befragung der Schülerinnen und Schüler durch Behörden stellte sich jedoch bald heraus, dass es sich dabei um eine spielerische pädagogische Methode gehandelt habe, die wohl darauf abzielte, den Schülerinnen und Schülern Aufnahme‑, Vermittlungs- und/oder Lernmethoden begreiflich zu machen, die über das Sichtbare hinausgehen. 

Innovative pädagogische Methoden sind in einem solchen Fall streitbar und diskussionswürdig – immerhin aber spielte sich die in die Polemik geratene Situation in Scafati auf freiwilliger Basis und ohne Einfluss auf die Note ab. Es waren damals die Schülerinnen und Schüler selbst, die nach dem Skandal für Aufklärung sorgten.

FGC kritisiert

Anders die Prüfung in Verona. Die Schülerin wurde praktisch dazu gezwungen, inmitten der Deutsch-Prüfung vor den Augen aller eine Augenbinde aufzusetzen, weil der Lehrperson die gute Vorbereitung der Schülerin verdächtig schien. Die Kommunistische Jugendfront (FGC) äußerte sich zu diesem Vorfall und übte schwere Kritik gegen ein immer noch unzulängliches Schulsystem, das so verrückte Ideen erste entspringen lässt: 

„Eine Studentin wird gezwungen, sich für die Prüfung die Augen zu verbinden. Es passiert in Verona, aber ähnliche Fälle ereignen sich jeden Tag in ganz Italien.

Mehr als ein Jahr nach den ersten Schließungen geht der Fernunterricht weiter, inzwischen bei 50% der Gymnasien, und dies stellt ein weiteres Symptom für die Verletzung der Rechte der Schüler dar. Die Benotung darf keine Methode sein, um diejenigen noch mehr zu strafen, die die Grenzen des Onlineunterrichts erfahren haben, weil sie nicht über genügend Lernplätze, Anschlüsse und Geräte verfügen. Unter dem Druck der Schulleitung greifen die Lehrer zu verrückten Methoden, um die Schüler zu benoten, während nach monatelangem Fernunterricht und sporadischen Öffnungen die Behebung von Defiziten Priorität hätte. Im Gegenteil, für Minister Bianchi ist Fernunterricht ohne Rechte und Sicherheiten eine Möglichkeit, die auch nach der Pandemie fortbestehen soll. Die Schüler sind dagegen, von jeder Schule aus bereiten wir den Widerstand vor.“

Quelle: Zeitung der Arbeit/MSN/la Repubblica Napoli/696tv/FGC

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