In der oberösterreichischen Sozialdemokratie ist eine peinliche Auseinandersetzung um ein Nationalratsmandat entbrannt, bei dem es um Posten, Machtpositionen und Geld geht.
Steyr/Gmunden/Wien. Seit die SPÖ bei der letzten Nationalratswahl nur noch 40 Mandate und damit einen historischen Tiefststand erreicht hat, ist es eng geworden an den sozialdemokratischen Futtertrögen. Daher kämpfen verschiedene Cliquen um ihren Zugang zu gut dotierten Posten und Ämtern sowie damit verbundenen Machtfunktionen. Das jüngste Beispiel ist der oberösterreichische Streit um ein nachzubesetzendes Parlamentsmandat in Wien: Markus Vogel wird Vizebürgermeister der Stadt Steyr, weswegen er seinen Sitz im Nationalrat zurücklegt. Gemäß Wahlordnung käme nun der nächstgereihte Kandidat bzw. die nächstgereihte Kandidatin derselben Wahlkreisliste zum Zug, was Elisabeth Feichtinger wäre, Bürgermeisterin von Altmünster am Traunsee (Bezirk Gmunden). Das will man aber in der SPÖ Steyr nicht akzeptieren und verlangt, dass der örtliche BMW-Betriebsratskaiser Andreas Brich das freie Mandat erhält – argumentativ beruft man sich auf eine landesparteiliche Mauschelei, wonach Nachbesetzungen jeweils nur im betroffenen Bezirk zu erledigen seien. Dies wiederum widerspricht jedoch wohl der gesetzlichen NR-Wahlordnung sowie anscheinend dem SPÖ-Parteistatut. Aber was soll’s? Was sich eine rosarote Runde am Stammtisch oder am Männer-Klo in der Linzer Landstraße mündlich ausmacht, wird doch wohl prioritär sein, oder? Gerhard Hackl, SPÖ-Bürgermeister von Steyr, fordert nun sogar den Parteiausschluss von Feichtinger – wegen ihres „unerträglichen Egotrips“. Diese hat SPÖ-Bundesgeschäftsführer Deutsch nämlich schon versichert, ihr Mandat annehmen zu wollen.
Das Ganze ist ein hübsches Sittenbild der verkommenen Sozialdemokratie. Man möchte meinen, angesichts des Corona-Chaos der Bundesregierung oder der größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik inklusive einer halben Millionen Arbeitslosen hätte die SPÖ andere Probleme – man könnte etwa ernsthafte Oppositionspolitik betreiben. Doch für einen Gutteil der Mandatare und Möchtegern-Mandatare, der gelernten SPÖ-Funktionäre und FSG-Gewerkschaftsbonzen geht es offenbar eben nur um sie selbst: Um fürstliche Politikergehälter, die fern jedes Arbeiterlohns sind, um machtpolitischen Karrierismus, um die maximale Teilhabe bei der Aufteilung von Ämtern und Steuergeldern. Eine solche „Arbeiterpartei“ zeigt eindringlich, wie sie zu einem nutzlosen Selbstzweck geworden ist, zu einer Profiteurin der Privilegien der politischen Kaste und der Ausbeutung der Arbeiterklasse. Auch die Sozialdemokratie ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, am Ende nur ein systemimmanenter Steigbügel der Klassenherrschaft des Kapitals, mit entsprechender Vergütung. Und wenn sich die Zuwendungen mal reduzieren, weil man gegenwärtig in der Politik- und Demokratieinszenierung nicht gebraucht wird, so streitet man sich eben auch untereinander auf gierige und egoistische Weise um die verbliebenen Posten und Finanzen. Man wird sehen, wer sich im Futterneid-Streit des politischen Saustalls durchsetzt und sich an den Fressnäpfen des Kapitals den Bauch vollschlagen darf. Für die Arbeiterklasse ist es egal.
Quelle: Der Standard