Ein Kommentar von Raffael Schöberl, Sprecher der Partei der Arbeit in Oberösterreich
Die Empörung über den Wahlsieg der FPÖ mag verständlich sein, doch sie bleibt wirkungslos, wenn sie in bloßer moralischer Entrüstung verpufft. Die FPÖ steht zweifellos für Niedertracht, Rassismus und die Spaltung der Arbeiterklasse. Doch der reflexartige Ruf nach Donnerstagsdemos oder Petitionen gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung bringt nichts. Im schlimmsten Fall schaden sie mehr als sie nutzen. Natürlich haben antifaschistische Proteste ihre Berechtigung – etwa wenn sich Neofaschisten im Ort breitmachen, wie in Steyregg geschehen, oder wenn deutschnationale Burschenschaften ihre Manifestationen abhalten. In solchen Situationen können antifaschistische Proteste sinnvoll und notwendig sein. Und insbesondere, wenn konkrete Bedrohungen wie eine Machtergreifung durch den Faschismus im Raum stehen, ist antifaschistischer Widerstand unerlässlich.
Aber symbolische Demonstrationen allein aufgrund eines Wahlergebnisses oder einer möglichen Regierungsbeteiligung der FPÖ gehören nicht dazu. Damit beruhigen wir bestenfalls unser eigenes Gewissen, sie werden die FPÖ jedoch nicht schwächen. Solche Proteste bewirken nichts, außer dass wir uns selbst bestätigen können, auf der moralisch „richtigen Seite“ zu stehen. Das genügt nicht. Wir müssen aufhören, uns in einer politischen Blase zu bewegen, in der wir uns gegenseitig für unseren Widerstand auf die Schulter klopfen, während die FPÖ immer größere Erfolge erzielt. Kein FPÖ-Wähler, keine FPÖ-Wählerin wird durch Donnerstagsdemos zum Umdenken gebracht.
Wir müssen uns ernsthaft fragen: Was und wen erreichen wir mit unseren Protestformen wirklich? Gegen wen richten sich diese Proteste? Etwa gegen die FPÖ? Gegen ihre Wählerinnen und Wähler? Also gegen die vermeintliche „Ignoranz“ der österreichischen Gesellschaft? Das ist doch alles andere als zielführend. Solche Aktionen haben keinerlei politische Durchschlagskraft. Denn sie greifen die FPÖ nicht an ihrer verwundbarsten Stelle an – nämlich der Politik, die sie verkörpert. Es ist ihre kapitalfreundliche und damit auch arbeiterfeindliche, neoliberale Agenda, die sie gemeinsam mit anderen Parteien vorantreibt. Donnerstagsdemos mögen als Ausdruck der Empörung gegen FPÖ-Regierungsbeteiligungen in Österreich eine gewisse Tradition haben, doch sie schaden der FPÖ nicht, vielmehr verstärken sie ihre Erzählung, dass sich das ganze Establishment gegen sie verschworen hätte – und das macht sie am Ende nur stärker.
Schauen wir uns das Wahlergebnis nüchtern an: Die FPÖ hat als stärkste Partei den größten Wahlerfolg seit Jahren errungen. Das ist bitter. Dennoch zeichnet sich eine Regierung ohne sie ab. Das mag im ersten Moment wie eine Erleichterung wirken, aber wir sollten uns nichts vormachen. Warum wird die FPÖ trotz ihres Erfolges voraussichtlich nicht in die Regierung kommen? Und das obwohl sich ÖVP und FPÖ inhaltlich kaum unterscheiden? Weil die ÖVP und mit ihr das Finanz- und Großkapital die Sozialdemokratie in der derzeitigen Situation bevorzugt, um ihre Interessen effizienter durchzusetzen. Die SPÖ wird nicht geholt, um eine echte Veränderung zu bewirken, sondern weil sie die Stabilität und „Besonnenheit“ verkörpert, die das Kapital braucht.
Das zeigt klar: Der Feind ist nicht nur eine reaktionäre FPÖ. Der eigentliche Gegner ist die gesamte kapitalistische Politik, die von allen großen Parteien getragen wird. Was bringt also ein emotional geführter „Widerstand“, so gut gemeint er auch sein mag, gegen die FPÖ, wenn eine ähnliche, unsoziale Politik auch ohne sie fortgeführt wird? Die FPÖ ist nur Symptom reaktionärer Politik – nicht die Ursache. Die kommende Regierung, unabhängig davon, wer neben der ÖVP beteiligt sein wird, wird keine Politik im Interesse der arbeitenden Bevölkerung, der Jugend oder der Frauen machen. Die kommende Regierung wird weiterhin im Sinne von Banken und Konzernen agieren. Leidtragende werden erneut die Arbeiterklasse und die Ärmsten im Land sein.
Solange wir uns auf symbolische Proteste gegen Rechts beschränken, verpufft unsere Energie. Unser Kampf muss sich stattdessen auf das Wesentliche konzentrieren: Gegen die Angriffe auf das Sozialsystem und die Rechte der Arbeiterklasse, gegen Kürzungen, gegen neoliberales Krisenmanagement und gegen Teuerung und Krieg – und das unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist. Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass Symbol- oder Identitätspolitik etwas bewirken. Der Kampf muss in den Betrieben, in den Gewerkschaften und auf der Straße geführt werden – gegen die kapitalistische Agenda, die dieses System stützt. Das ist harte, langwierige Arbeit. Dazu fehlen uns heute Strukturen, die es aufzubauen gilt. Und all das wird uns auch nicht von heute auf morgen gelingen. Nur klar ist, es reicht nicht mehr aus, auf der moralisch „richtigen Seite“ zu stehen. Wir müssen dort Widerstand leisten, wo es wirklich zählt. Nur so werden wir etwas verändern können. Die Partei der Arbeit Österreichs ist ein Angebot genau diesen notwendigen Widerstand gemeinsam aufzubauen und zu entwickeln.