Am 2. November fand in der Wiener Innenstadt ein Lichtermeer für die Opfer und die Geiseln des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober statt. Für den Völkermord Israels an den Menschen des Gazastreifens fand man dort kein Wort des Bedauerns. – Ein Kommentar von Otto Bruckner.
Wer erwartet hatte, dass beim Wiener Lichtermeer am Donnerstagabend auch ein Wort des Gedenkens an die mittlerweile fast 10.000 Toten, die das jüngste militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen verursacht hat, auch nur erwähnt wird, der wurde eines Besseren belehrt. Denn es handelte sich um eine israelische Propagandaveranstaltung.
Im Mittelpunkt stand das Gedenken an die Opfer des mörderischen Hamas-Angriffs auf die israelische Zivilbevölkerung vom 7. Oktober, bei dem mehr als 1.400 Menschen getötet und an die 300 verschleppt wurden. Angehörige von Geiseln waren eingeflogen und vorgeführt worden. Diese leidgeplagten Menschen wollen verständlicherweise, dass ihre Liebsten so rasch wie möglich und unversehrt zurückkommen, gerade dafür tut die israelische Politik aber gar nichts. Im Gegenteil: Dass bei den wahllosen Bombardements dicht besiedelter Gebiete im Gazastreifen auch Geiseln getötet werden (nach Angaben der Hamas sind es bereits mehr als 50), nimmt man wohl als Kollateralschaden in Kauf.
Das Lichtermeer war ein Abend der zionistischen Selbstbeweihräucherung. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, sprach davon, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung für „eine offene Gesellschaft, eine liberale Demokratie“ stünden. Die „liberale Demokratie“ also, die Monstranz, die von der westlichen Machtelite stets vor sich hergetragen wird, und die zugleich Zeugnis ihrer verkommenen Doppelmoral ist. Die US-geführten kriminellen Kriegszüge der letzten Jahrzehnte, die Millionen von Toten und zerstörte Länder hervorgebracht haben, wurden auch im Namen der „liberalen Demokratie“ geführt.
Wenn also Oskar Deutsch, der sich immer mehr als Vertreter Israels in Österreich zu erkennen gibt, als hätte dieser Apartheidstaat keine eigene diplomatische Vertretung, von der Verteidigung der liberalen Demokratie spricht, dann meint er, dass wir uns gefälligst mit dem Staat, der die palästinensische Bevölkerung von ihrem Land vertreibt, sie ermordet und ihr die Lebensgrundlagen entzieht, zu solidarisieren haben. Jede Kritik an dieser Kolonialherren- und Siedlermentalität wird als Antisemitismus gebrandmarkt, das brachten die moralisch aufgeladenen Reden des Lichtermeers wieder zum Ausdruck.
Der angehende Botschafter Israels in Österreichs übte in seiner Rede heftige Kritik am Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres. Dieser hatte vor ein paar Tagen im UNO-Sicherheitsrat darauf hingewiesen, dass der Angriff der Hamas nicht in einem Vakuum stattgefunden habe, sondern eine Folge der jahrzehntelangen Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch Israel sei. Die israelischen Propagandisten wollen ihm unterschieben, dass er damit den Angriff der Hamas verteidigt hat, was natürlich blanker Unsinn ist, denn er hat ihn von Beginn an auf das Schärfste verurteilt.
Wenn solche Veranstaltungen abgehalten werden, die kein Wort des Mitgefühls dafür zeigen, dass mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen alle Lebensgrundlagen entzogen werden, so dass sie nicht nur an den israelischen Bombardements, sondern auch an Dehydrierung, Hunger, mangelnder Hygiene und medizinischer Versorgung sterben, dann ist es mit Humanismus und Empathie nicht weit her. Ebenso, wenn der gesetzlose Zustand auf der Westbank, in dem radikale jüdische Siedler Palästinenser nach Belieben drangsalieren, vertreiben und umbringen können, ignoriert wird.
Israel hat eine rechtsradikale Regierung, deren Vertreter die Palästinenser als „menschliche Tiere“ sehen, die getötet und deportiert werden müssen. Erst vor ein paar Tagen wurden Pläne bekannt, nach denen die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens vertrieben und auf die ägyptische Halbinsel Sinai deportiert werden sollte. Wer sich mit Netanjahu und seiner Verbrecherbande gemein macht, hat kein Recht, uns irgendwelche moralischen Belehrungen erteilen zu wollen.
Es ist keine Überraschung, dass vom Bundespräsidenten abwärts die ganze Politelite unseres Landes ihre Verbundenheit mit dieser israelischen Propagandaveranstaltung zeigten. Längst ist Österreich ein Staat ohne eigenständige Außenpolitik. Wir sind der siebente Zwerg von rechts im Gefolge des US-Hegemons, der viel Geld in die Aufrüstung Israels investiert hat und weiter investiert.
Die Hamas wurde übrigens mit dem Wohlwollen und der Unterstützung der israelischen und US-Geheimdienste gegründet. Sie sollte dabei helfen, die PLO Jassir Arafats zu schwächen und so die Gründung eines Palästinenserstaates zu verhindern.
Die USA haben mit solchen Bumerangs ja bereits reichlich Erfahrung: Die Stinger-Raketen, die sie den islamistischen Gotteskriegern im Kampf gegen die kommunistische Regierung Afghanistans lieferten, holten später die Hubschrauber der US-Army vom Himmel. Auch die Taliban sind ursprünglich ein US-Geschöpf, ebenso wie der IS und eben die Hamas.