Trotz eines fixen und sicheren Jobs verweigert eine Bank einer steirischen AHS-Lehrerin einen zuvor zugesagten Kredit. Dahinter steht nicht nur Altersdiskriminierung, sondern auch ein Wirtschaftssystem, das nun sogar indirekt eingesteht, dass Löhne, Gehälter und Pensionen zu niedrig sind – insbesondere für Frauen.
Steiermark. Eine 49-jährige AHS-Lehrerin und Gerichtsdolmetscherin aus dem Bezirk Graz-Umgebung wollte bei einer Bank einen Kredit aufnehmen, um eine Genossenschaftswohnung zu erwerben. Dieser Kredit wurde ihr auch schriftlich zugesichert, nachdem sie einen Auszug aus ihrem Pensionskonto und eine Bürgschaft ihres Bruders vorgelegt hatte, woraufhin sie den Kaufvertrag unterschrieb und die Anzahlung von 12.000 Euro überwies. Nach vier Monaten meldete sich die Bank jedoch mit der Mitteilung, dass sie nun doch als „nicht kreditwürdig“ eingestuft wurde. Das vereinbarte Darlehen wurde ihr verweigert. Erst nach Intervention über einen Anwalt wurde der Frau ihre Anzahlung zurückerstattet und eine Entschädigung von 2.500 Euro zugesprochen – 3.500 Euro Nebenkosten (u.a. für den Notar) muss sie jedoch als Verlust verbuchen. Offenbar sei die Bank zu dem Schluss gekommen, so der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und die steirische Antidiskriminierungsstelle, dass die Gymnasiallehrerin zu alt für einen Kredit sei. Bei einer geplanten Laufzeit von 25 Jahren, wären mindestens zehn Jahre in die Pension der Frau gefallen. Die Bank ist der Ansicht, dass die Akademikerin dann finanziell nicht mehr in der Lage sein würde, die Raten zu begleichen. Oberflächlich handelt es sich um einen klaren Fall von Altersdiskriminierung. Diese ist – im Gegensatz zu über 30 anderen europäischen Ländern – im österreichischen Bankwesen nicht verboten, was dringend behoben gehört. In der Bundesregierung war man sich auf Nachfrage des ORF jedoch nicht einmal sicher, ob das Justiz‑, Sozial- oder Arbeitsministerium zuständig sei.
Altersarmut ist weiblich
Natürlich liegt das Problem ohnedies tiefer. Denn die Bank hat unwillkürlich die eine oder andere relevante Wahrheit über das österreichische Wirtschafts‑, Lohnarbeits- und Pensionssystem bestätigt: Das eine ist die Altersarmut – und diese ist vornehmlich weiblich. Die Durchschnittspension einer Pensionistin beläuft sich hierzulande auf 1.025 Euro pro Monat (2018), was wesentlich näher an der Mindestpension von 933 Euro als an der durchschnittlichen Männerpension (1.618 Euro) liegt. Freilich, im konkreten Fall der steirischen Lehrerin wird es um einen höheren Betrag gehen, da sie Akademikerin im Bundesdienst ist. Doch auch das war der kreditverweigernden Bank zu wenig, inklusive der Zusage der Antragstellerin, auch in der Pension weiterhin als Gerichtsdolmetscherin zu arbeiten. Die Bank weiß eben nur zu gut, dass die Pensionen in Österreich zu niedrig sind, insbesondere für Frauen. Und der Grund hierfür reicht zurück: Frauen erhalten gegenüber Männern geringere Löhne und Gehälter, weisen mehr Brüche im Erwerbsleben auf, sind oft für unbezahlte Reproduktionsarbeit zuständig. Sie weisen eine höhere Armutsgefährdung auf, und in der gegenwärtigen Krise wurden bislang wesentlich mehr Frauen als Männer arbeitslos. Aus solchen Tatsachen ergibt sich sodann auch ein erheblicher Pensionsunterschied, denn die Pensionshöhe errechnet sich über Durchschnittslöhne und Arbeitsjahre.
Kapitalismus drückt Löhne und Pensionen
Noch tiefer gehend: Das Ganze hat System – und dieses System heißt Kapitalismus. Dessen Grundprinzip, die Maximierung des Profits, verlangt zwangsläufig, dass den arbeitenden Menschen möglichst niedrige Löhne bezahlt werden, ganz generell, aber natürlich werden bestimmte Gruppen, wie Immigranten oder Frauen, noch mehr ausgebeutet. Auch hat der Kapitalismus Interesse daran, immer eine relevante Zahl an Arbeitslosen zu haben, als Reservearmee und Drohpotenzial in Richtung Lohndruck und Zumutbarkeitsbestimmungen. Weder will der Kapitalismus Vollbeschäftigung erreichen, noch kann er es. Und selbstverständlich will ein bürgerlich-kapitalistisches Staatsbudget auch möglichst wenig für Pensionen aufwenden, obwohl die Beschäftigten ja ohnedies massiv während ihrer Versicherungsjahre einzahlen (über 10% des Lohnes). Gerne wird auch auf das Älterwerden der Gesellschaft verwiesen, um zu begründen, dass man sich höhere Pensionen nicht leisten könne und unbedingt das Pensionsalter anheben müsse (2024–2033 von 60 auf 65 Jahre für Frauen). Was uns bürgerliche „Wirtschaftswissenschaftler“ und die zugehörige herrschende Politik im Dienste das Kapitals da auftischen, ist freilich gelogen: Gegenwärtig werden etwas 14% des BIP für Pensionszahlungen an 2,8 Millionen Pensionsbezieher aufgewendet. Statistiken und Berechnungen der EU haben ergeben, dass sich diese Quote bis zum Jahr 2070 kaum signifikant ändern wird, obwohl die Menschen immer älter werden. Denn natürlich stehen auch mehr Menschen im Erwerbsleben. Aber das will man ja, wie gesagt, nur bedingt, geschweige denn eine massive Erhöhung durch Neuverteilung der Arbeit, die durch Arbeitszeitverkürzung möglich wäre.
Abwertung des Alters
Nochmals zur Altersfrage: Die betroffene Lehrerin ist erst 49 Jahre alt, hat statistisch noch 35 Jahre zu leben und zählt für die Bank trotzdem schon zum „alten Eisen“. Tatsächlich hat sie noch 16 reguläre Arbeitsjahre vor sich und befindet sich unweit über dem österreichischen Durchschnittsalter, denn der Altersmeridian liegt inzwischen bei 43 Jahren. Natürlich lassen sich junge Menschen besser und billiger ausbeuten, weshalb auch andere Unternehmen ähnlich denken wie die Bank: Wer um die 50 ist oder schon darüber, bekommt im Falle von Arbeitslosigkeit selten noch einen anständigen Job. Und so gleiten viele Menschen, vor allem Frauen, dann direkt von der Sozialhilfe zur Mindestpension. Vor diesem Hintergrund ist es blanker Hohn, das Pensionsalter anheben zu wollen: Es gibt keine Jobs dafür, und zwar mit voller Absicht. Dies sind Grundprinzipien der kapitalistischen Profitmacherei und der Unterdrückung wie Ausbeutung der arbeitenden und beschäftigungslosen Menschen durch eine Handvoll Kapitalisten. Diese könnte man freilich auch mal anständig besteuern, um das Sozial- und Pensionssystem höher zu dotieren. Aber so etwas kommt für die Regierungsparteien als Lobby der Reichen, Banken und Konzerne selbstverständlich nicht in Frage.
Ignoranz und Arroganz der Herrschenden
Zu guter Letzt kommt einem angesichts des Falles der steirischen Lehrerin auch wieder eine besonders dummdreiste Aussage des Bundeskanzlers in den Sinn: Er empfahl einst jenen Menschen, denen die Wohnungsmieten zu hoch waren, stattdessen Eigentumswohnungen zu kaufen. Wie man sieht, reicht es ja nicht einmal für Genossenschaftsanteile. In dieser „Empfehlung“ kommt die ganze weltfremde Entrücktheit eines jungen Mannes zum Ausdruck, der persönlich nie mit dem kapitalistischen Arbeitsmarkt zu tun hatte, aber aus Steuergeldern über 22.000 Euro pro Monat „verdient“. Eine durchschnittliche Lohnarbeiterin bekommt gerade mal die Hälfte – für ein ganzes Jahr, wohlgemerkt: das sind lediglich 3,6% eines Kanzlergehalts. Und die Einkommen der Kapitalisten, der Banker und Manager sind zum Gutteil noch höher als die Begünstigungen ihrer politischen Handlanger. Offensichtlich ist es das, was wir uns als Gesellschaft nicht leisten können, nicht anständige Löhne, Gleichstellung und ein sicheres Pensionssystem. Man müsste die Schmarotzer im österreichischen Wirtschaftssystem nur noch loswerden, also ihre Luxusgehälter und astronomischen Gewinne „einsparen“, um für alle Menschen Wohlstand zu gewährleisten. Dann stünden auch die Banken in Volkseigentum. Und daraus folgt: Der Kapitalismus muss weg – er hat jeglichen Kredit verspielt und ist in jeder Hinsicht unwürdig.
Quelle: ORF