Symptomatischer könnte es nicht sein: Genau in der Begutachtungsfrist zum umstrittenen „Freitesten“-Gesetz von ÖVP und Grünen ist die digitale Informationsfreiheit eingeschränkt – nicht absichtlich, aber aufgrund hartnäckiger Unfähigkeit.
Wien/Internet. Für allgemeines Fremdschämen und Unverständnis sorgt die IT-Abteilung des Parlaments: Seit Samstag-Nachmittag war die Website der österreichischen Legislative unter parlament.gv.at nur eingeschränkt oder gar nicht zu erreichen. Der Grund hierfür, so erklärte der Social Media-Dienst des Parlaments via Twitter, seien die gegenwärtig hohen Zugriffszahlen bzw. ‑versuche. Selbige hat man indirekt freilich selbst „verschuldet“: Offenbar interessieren sich besonders viele Menschen für das fragwürdige „Freitesten“-Gesetz, dessen Entwurf momentan in seiner Begutachtungsphase ist. Diese begann auf Betreiben der Bundesregierung justament zu Silvester und endet bereits wieder am 3. Jänner, was die Opposition auch prompt kritisierte. Der Verdacht liegt nahe, dass ÖVP und Grüne sich durch die Kurzfristigkeit sowie durch Feiertag und Wochenende erhofft hatten, dass es damit gerade weniger Informationswillige und v.a. weniger eingereichte Stellungnahmen gibt. Das ging trotz des mangelhaften Zugangs allerdings nach hinten los, denn bis Sonntag-Vormittag waren dennoch bereits rund 3.000 Stellungnahmen von Bürgern eingebracht, was wiederum zur Überlastung beitrug.
Bei einer etwas fähigeren Regierung und Parlamentsmehrheit würde man angesichts eines ausgerechnet jetzt auftretenden Website-Ausfalls ja antidemokratische Absichten und Taktikten vermuten oder gar eine Verschwörungstheorie erfinden, bei uns liegt aber vermutlich einfach nur die übliche Inkompetenz vor. Digitalisierung? Nie gehört! Die Parlamentsleitung war selbstverständlich bemüht, möglichst rasch für eine Behebung zu sorgen, man habe diesbezüglich sofort alles versucht: die Zuschaltung von „mehr Hard- und Software“ sowie natürlich die Standard-Lösung aller technischen Probleme: Ein- und Ausschalten. Gegenvorschlag: Einfach mal die Regierung offline nehmen, weil die hat schon genug vermurkst. Es ist an der Zeit, Kurz II runterzufahren und ein demokratisches und soziales Update zu installieren. Vielleicht kriegt man dann nicht nur IT-Probleme, sondern auch die Pandemie, die Krisenfolgen und die moralische Verkommenheit bei den Flüchtlingstragödien in den Griff. Auf längere Sicht braucht’s dann aber sowieso einen antikapitalistischen Neustart.
Quelle: Der Standard