Wien. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) verrät ihre vermeintlichen Werte der Solidarität (mal wieder). Sie betont, für den Stopp des Familiennachzugs zu stimmen – einer Forderung, die vor allem von der ÖVP vorangetrieben wurde. Die Rechtfertigung von Parteichef Andreas Babler, dass es sich hierbei lediglich um eine „Steuerung“ handle, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Hier wird aus politischem Kalkül mit dem Schicksal von Familien, vor allem Kindern und Frauen aus Kriegs- und Krisengebieten gespielt. Der Humanismus, der immer hochgehalten wurde, scheint nach der Wahl vergessen.
Dabei zeigen die Fakten, dass es keine Notwendigkeit für solche populistischen Beschlüsse braucht: Laut Innenministerium wurden in den letzten zwei Jahren gerade einmal 14.000 Personen durch den Familiennachzug nach Österreich geholt, die Großteils Kinder sind. Der vermeintliche „Notstand“, der die Aussetzung des Familiennachzugs rechtfertigen soll, ist nichts anderes als eine Nebelgranate. Vielmehr zeigt sich hier ein politisches Manöver, mit dem die SPÖ die ÖVP nicht nur stützt, sondern aktiv in deren Fahrwasser segelt. Während Populistinnen und Populisten nicht nur vor einer „Überlastung“ warnen, sondern diese attestieren, gibt es ein ganz anderes Problem: das Versagen des Staates, in Bildung und Betreuung zu investieren.
Lehrermangel, Personalnotstand, kaputte Strukturen
Wer die Herausforderungen der Gegenwart ernst nimmt, kommt nicht umhin, in Bildung zu investieren. Doch genau hier zeigt sich das eigentliche Versagen. Während politisch über einen „Ansturm“ auf Schulen debattiert wird, fehlen in Wahrheit Lehrerinnen und Lehrer und kompetentes Personal, ob Schulsozialarbeiterinnen und ‑arbeiter oder auch administratives Personal und anderes mehr. Auch in Kindergärten ist die Personalnot groß, vielerorts fehlen ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen, Gruppen sind überfüllt, und strukturelle Mängel verhindern eine zeitgemäße Betreuung.
Anstatt jedoch das Bildungssystem zukunftsfähig zu machen, wird die Debatte auf dem Rücken jener geführt, die am wenigsten dafür können: geflüchtete Familien. Migration und Flucht bilden zweifelsohne eine gesellschaftliche Herausforderung, aber es braucht Infrastrukturen und Personal, um damit adäquat umgehen zu können, bspw. mit Mehrsprachigkeit etc. Doch während für Steuererleichterungen für Konzerne Geld vorhanden ist, fehlt es dort, wo es mit am dringendsten gebraucht wird: in den Schulen und Kindergärten.
Quelle: Ö1 Morgenjournal