Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), zur Neuwahl des ORF-Generaldirektors
Der Österreichische Rundfunk umfasst als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen, ungeachtet seiner präziseren formellen Konstituierung, die TV‑, Radio- und Online-Kanäle der Republik Österreich. Der ORF ist das, was derselbe im Falle politisch missliebiger Länder gerne despektierlich als „Staatssender“ tituliert. Natürlich bemüht man sich – und viele ORF-Mitarbeiter tun dies überaus aufrichtig – um innenpolitische „Unabhängigkeit“ und „Objektivität“. Selbstverständlich ergibt sich daraus ein gewisses Spannungsfeld, denn jede der „staatstragenden“ politischen Parteien wäre nachlässig, würde sie nicht nach Einfluss im und auf den ORF trachten. Er versteht sich quasi von selbst, dass die jeweils amtierende Bundesregierung auch den Anspruch stellt, die ORF-Spitze personell zu bestimmen.
Und so sind die ORF-Generaldirektoren (früher: Generalintendanten) auch immer entweder von der ÖVP oder SPÖ favorisiert und ins Amt gehievt worden. Der wiederkehrende Bacher war ÖVP-Kandidat, Oberhammer jener der SPÖ, der progressive Podgorski tendenziell eher am SPÖ-Ticket unterwegs, Zeiler und (das CV-Mitglied!) Weis wurden ebenfalls sozialdemokratisch durchgesetzt, letzterer durch die ÖVP mit Lindner abgesägt, die SPÖ schlug mit Wrabetz zurück. Nun beerbt diesen im kommenden Jahr also der ÖVP-Kandidat Weißmann, wie gestern entschieden wurde.
Der Spitzenmanager der staatlichen Medien Österreichs ist immer Ausdruck eines gegebenen politischen Kräfteverhältnisses, zunächst auch des schwarz-roten bzw. rot-schwarzen Proporzsystems, das die Republik sowie deren Posten und Ämter zwischen ÖVP und SPÖ aufteilte. Mit der Jahrtausendwende wurde dieses mitsamt der „Sozialpartnerschaft“ durch Schüssel aufgekündigt, er verschaffte sich seine Mehrheiten mit der Haider-FPÖ. Seither sind es wechselnde Koalitionen, die den jeweiligen Generaldirektor bestimmen – Wrabetz wurde einmal auch in einer recht bunten rot-grün-blauen ORF-Koalition gewählt.
Dies ist dann immer auch mit einem gewissen abhängigen Postenschacher verknüpft: Unterstützt die eine Partei eine andere bei der Wahl des Generaldirektors, so gibt es im Gegenzug ebenfalls diesen oder jenen Posten, sei es im ORF oder sogar woanders im staatlichen oder staatsnahen Bereich. Eines kann man jedenfalls ausschließen: Rein aufgrund von Qualifikation oder vorgelegten zukunftsträchtigen Konzepten ist noch nie jemand an die Spitze des ORF gelangt – das zu glauben, wäre höchst naiv. Insofern darf man das SPÖ-Gejammer über die nunmehrige Wahl Weißmanns als ein wenig lächerlich ansehen: Hätte die Sozialdemokratie eine Mehrheit im Stiftungsrat zusammengebracht, so wäre es eben ihr Kandidat geworden. Diesbezüglich kann natürlich jeder und jede eine Meinung haben, ob dies besser gewesen wäre, oder ob es vielleicht grundsätzlich günstiger wäre, wenn der fragliche Posten immer von der parlamentarischen Opposition besetzt wird, aber so funktioniert das österreichische System eben nicht: Die bürgerliche „Demokratie“ ist weitgehend die Diktatur der konstruierten Mehrheit.
Das bedeutet nicht, dass man die Kür Weißmanns achselzuckend zur Kenntnis nehmen soll oder muss. Tatsächlich wird dadurch der Zangengriff der Kurz-ÖVP auf die österreichische Medienlandschaft und damit auf die veröffentlichte Meinung fester. Es gibt private Medien, die sich quasi naturgegeben als ÖVP-Sprachrohr verstehen, etwas das Raiffeisen-Blatt „Kurier“ oder das altbürgerliche Flaggschiff „Die Presse“. Die Boulevardzeitungen und ihre elektronischen Anhängsel werden von der Regierung mit Millionen Euro aus Steuergeld mit Inseraten bedacht, um eine günstige Berichterstattung zu stimulieren. Beides sind logische Erscheinungen und Ergebnisse einer kapitalistischen Medienlandschaft. Nun könnten freilich zu den begünstigenden Konzernmedien auch noch die Staatsmedien hinzukommen, die ihre Distanz zur Regierung und v.a. zur ÖVP reduzieren. Denn es besteht wenig Zweifel daran, dass dies die zugedachte Rolle des kommenden ORF-Generals Weißmann ist, und vielerorts geht das Gespenst der „Orbanisierung“ um. In einer Zeit, in der die ÖVP jeden Respekt vor Verfassung, Rechtsstaat und Bürgerrechten vermissen lässt und von Korruptionsermittlungen betroffen ist, ergibt dies keine rosigen Aussichten.
Dass die grünen ORF-Stiftungsräte ohne Not – die ÖVP hätte ohnedies eine Mehrheit gehabt – ebenfalls den Erfüllungsgehilfen von Kurz spielen, ist gewiss eine weitere Enttäuschung für jene, die immer noch Illusionen in die Grünen hatten: Aber die Grünen sind eben voll angekommen in der ver- und gekauften Republik. Sie werden schon mit irgendwelchen Pöstchen belohnt werden, wo sie dann wieder „Schlimmeres verhindern“ können. Andere kleine Ironie am Rande: Auch der ehemalige FPÖ-Vizekanzler einer SPÖ-geführten Regierung, Norbert Steger, stimmte als einziger FPÖ-Stiftungsrat für Weißmann.
Unterm Strich darf man sich auf eine vermehrte politische Einflussnahme auf den ORF einstellen, zumal der bisherige „sozialdemokratische“ Generaldirektor Wrabetz zuletzt ohnedies schon nach allen Seiten offen war, um vielleicht doch von Kurzens Gnaden wiedergewählt zu werden. Vielleicht kann das z.B. ungarische Fernsehen künftig völlig berechtigt vom österreichischen „Staatssender ORF“ sprechen – sofern nicht, ganz gegenteilig, eine Teilprivatisierung des ORF umgesetzt wird. So oder so, mit einem solchen medialen Rückhalt wird es für die Kurz-ÖVP natürlich umso leichter, an der Regierung zu bleiben, also auch die nächsten Nationalratswahlen zu gewinnen, ohne dass es eine realistische Koalitionsalternative ohne sie gäbe. Das ist unerfreulich und wahrlich nicht gerade demokratiefördernd.
Allerdings ist das der kapitalistische Medienbetrieb generell nicht. Was uns als Presse- und Meinungsfreiheit verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Medienmonopol des Kapitals und seiner Handlanger. Zwar gibt es auch in Österreich natürlich unterschiedliche Kapitalfraktionen (und deshalb auch unterschiedliche Parlamentsparteien), doch am Ende steht im bürgerlichen Staat das Prinzip: Die herrschende Meinung muss die Meinung der Herrschenden sein. Dafür sorgen ein entsprechendes Bildungssystem, eine Geschichtsdoktrin, eine Unterhaltungskultur, „ernsthafte“ Kunst, eine bestimmte Wissenschaftsinterpretation, am Ende aber v.a. die finanzkräftigen privaten wie staatlichen Medienkonzerne, die all dies vermitteln. Dies gehört zum Überbau der kapitalistischen Gesellschaft, in dem ideologischer Kassenkampf „von oben“ betrieben wird, auf dass eine wirkliche Alternative dazu möglichst verunmöglicht werden kann. Insofern ist es auch zweitrangig, ob ein türkiser/schwarzer Tiger oder ein rosaroter Bettvorleger am Wiener Küniglberg als Direktor amtiert.
Um wirkliche Gegeninformation und wahre Aufklärung zu betreiben, kann sich die revolutionäre Arbeiterbewegung ohnedies nicht der bürgerlichen Medien bedienen. Es braucht auch hier die selbständige Aktivität von unten, mit den überschaubaren Mitteln und Kräften, die nun mal vorhanden sind, um den Kapitalmedien den Klassenstandpunkt der Arbeitenden entgegenzusetzen. Und genau das ist die Aufgabe z.B. der „Zeitung der Arbeit“, online und in Print-Form. Denn im Übrigen sind es nicht nur irgendwelche Medienmonopole, die zerschlagen werden müssen, sondern es ist der gesamte bürgerliche staatliche Herrschaftsapparat.