Die Belastung für die stationäre Altenpflege nimmt in der Corona-Krise zu, erzählt eine anonyme Altenpflegerin aus Ostösterreich. Kolleginnen und Kollegen aus der Covid-Risikogruppe sind nicht ausgenommen.
Wie erleben du und deine Kolleginnen und Kollegen euren Arbeitsplatz im Altersheim seit der Corona-Pandemie?
Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland, viele auch aus der Slowakei. Die sind dort viel strenger mit den Grenzkontrollen als Ungarn und etliche haben auch Kinder. Beispielsweise haben wir die Situation, dass nur vier Kolleginnen in der Abteilung über uns da sind. Die anderen acht Kolleginnen und Kollegen, die sonst da wären, kommen alle aus der Slowakei und trauen sich nicht über die Grenze, weil sie Angst haben, nicht wieder zurück zu ihren Familien zu gelangen. Es gibt hier Räume, die für sie bereitgestellt wurden, aber sie können ja nicht mit ihren Kindern da einziehen. Deswegen müssen andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Ausfälle kompensieren. Das ist das größte Problem für uns. Außerdem hatten wir am Anfang gar keine Schutzmasken. Erst nach einiger Zeit bekamen wir moderne Masken und Ausrüstung, mit der wir aber sparsam umgehen müssen. Ansonsten waren die Schutzbestimmungen eigentlich in Ordnung hier im Heim. Wir erhalten gratis Essen, damit wir den Stau in der Kantine vermeiden, wir dürfen uns in der Pause nicht versammeln, es gibt ausreichend Desinfektionsmittel und die Angehörigen haben Besuchsverbot. Es gibt hier aber auch ausreichend Platz, ich weiß nicht, wie das in kleineren Heimen gut funktionieren kann oder solchen, die sich im innerstädtischen Raum befinden. Da stelle ich mir das schwieriger vor.
Kriegt ihr Sonderzahlungen wie Prämien oder eine Lohnerhöhung? Eure Arbeit scheint jetzt ja noch stressiger geworden zu sein…
Ja, aber von Lohnerhöhungen oder Sonderzahlungen ist keine Rede. Alles bleibt gleich. Es ist mittlerweile auch so, dass in jedem Stockwerk ein Zimmer eingerichtet wurde, falls jemand an Corona erkrankt und isoliert werden muss. Vor ein paar Tagen hatten wir eine Neuaufnahme aus dem Krankenhaus mit einem kranken Patienten, obwohl es geheißen hatte, dass wir das nicht machen werden. Aber natürlich wollen sie sich das Geld nicht entgehen lassen, verstehst du? Die Person wird zur Zeit isoliert und in der Pflegegruppe, die zuständig ist, ist eine Person ausgewählt worden, die mit Schutzkleidung reingeht und die Person pflegt. Aber dieser Plan geht ja nicht auf, denn die Person kann ja nicht jeden Tag zur Verfügung stehen. Wir hatten eine große Diskussion deswegen, weil einige Kolleginnen, die selber oder deren Angehörige zur Risikogruppe zählen, sich weigerten die Aufgabe von diesem Kollegen zu übernehmen und da reinzugehen. Das verstehe ich auch. Dann mussten wir die Pflegegruppen neu umstellen, damit das andere, jüngere Personen übernehmen. Letztens musste auch ich reingehen, einfach weil die Kolleginnen und Kollegen verunsichert waren, da reinzugehen, obwohl ich in einer ganz anderen Pflegegruppe bin und es nicht meine Aufgabe wäre. Aber was soll ich machen? Der Bewohner ist nun mal da und man muss sich um ihn kümmern. Auch wenn er nur aufgenommen wurde, wegen dem Geld, das er einbringt und wir haben den extra Stress. Aber gezahlt wird das alles nicht.
Es gibt ja viele, die zur Zeit auf ihren Balkon gehen und klatschen für Berufsgruppen, wie deinem Beruf in der Pflege, die gesellschaftlich relevante Aufgaben erledigen. Wie siehst du das?
Wenn ich mehr Lohn erhalten würde, könnte ich mir vielleicht auch eine Wohnung mit Balkon leisten. Ich finde, Menschen können das ruhig tun. Aber ich möchte auch sagen, dass wir das gar nicht wahrnehmen. Also ich glaube nicht, dass das irgendjemanden von uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich berührt. Ich weiß, dass die Angehörigen unserer Heimbewohnerinnen und ‑bewohner uns gegenüber sehr dankbar sind. Diese Dankbarkeit reicht mir.
Und wie gestaltet sich das für Heimbewohnerinnen und ‑bewohner? Ist es schwer für sie, dass sie ihre Angehörigen nicht sehen können?
Naja, wir kompensieren viel. Wir bringen sie regelmäßig an die frische Luft am Nachmittag und versuchen sie bei Laune zu halten – soweit es möglich ist, wir dürfen ja nicht ständig in Kontakt mit ihnen sein und sie durchgehend mobilisieren. Die Bewohnerinnen und Bewohner nehmen das auch so sehr gut an, viele andere Heimbewohnerinnen und ‑bewohner erhalten Kleinigkeiten von ihren Angehörigen und merken eigentlich nicht wirklich, wie lange das schon geht. Angst haben viele von ihnen auch nicht vor dem Virus. Der große Stress liegt einfach auf unserer Seite und besonders für diejenigen aus dem Ausland. Wir müssen schauen, dass wir alles an Ausfällen ausgleichen und die Leute bei Laune halten, ohne die Schutzbestimmungen zu verletzen und natürlich auch, ohne uns den Stress zu sehr anmerken zu lassen.
Gibt es noch etwas, was du sagen möchtest?
Ja, ich bin alleinerziehende Mutter. Und es ist schon so ein großes Problem, mich irgendwie um die Schulaufgaben meines Kindes zu kümmern und meine anderen Kinder wohnen leider nicht bei mir im Ort und haben selber Arbeit bzw. Familie. Seitdem die Schulen geschlossen sind, mache ich mir große Sorgen um sie. Jetzt habe ich erfahren, dass sie nach den Osterferien neuen Lernstoff bekommen. Aber wie stellt sich die Schule denn das vor? Online-Unterricht findet nicht statt. Sondern sie müssen etliche Arbeitsblätter ausdrucken. Sowas haben wir aber nicht. Also musste ich und eine andere Kollegin, mit ähnlichen Problemen, an unserem Arbeitsplatz darum betteln, drucken zu dürfen. Ich weiß nicht, wie das alles noch wird, aber irgendwie werde ich versuchen, meine Familie aus dieser Lage durchzubringen.
Unsere Gesprächspartnerin (50) ist seit neun Jahren Altenpflegerin in einem Seniorenheim in Ostösterreich. Der Name der dreifachen Mutter und Großmutter ist der Redaktion bekannt.