HomePolitikInszenierter Rücktritt und Sicherung der Kontinuität

Inszenierter Rücktritt und Sicherung der Kontinuität

Sebastian Kurz inszenierte sich am Samstag im Rahmen seines Pressestatements als Opfer der Grünen und Retter Österreichs. Kontinuität in Sachen arbeiterfeindliche Politik ist durch das Nachrücken von Schallenberg und Kurzens Präsenz als Klubobmann im Parlament ohnehin weiter gesichert. 

Wien. Am Samstag gegen 19.45 Uhr trat der bis dahin amtierende Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem etwa siebenminütigen medienwirksamen Statement zurück. Aufgrund der neuerlich aufkommenden strafrechtlichen Vorwürfe geriet er politisch unter Druck. Der Koalitionspartner, die Grünen, machten klar, dass die Koalition nicht halten wird, sofern die ÖVP keine untadelige Person als Kanzler aufstelle. „Die ÖVP ist aufgerufen, eine untadelige Person zu finden, die dieses Amt ausführen kann“, sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer vorgestern gegenüber der Presse.

Inszenierter Rücktritt

Nun trat Kurz am Samstagabend nach langer ÖVP-interner Beratung an die Öffentlichkeit. Im Rahmen seines Statements hielt er fest, dass er nicht der erste Spitzenpolitiker sei, der mit einer solchen Situation konfrontiert sei. Neu sei lediglich, dass sich diesmal „der Koalitionspartner … entschlossen hat, sich klar gegen mich zu positionieren. Viele sagen zu mir, das sei ungerecht.“ 

Weiters betonte Kurz die angeblichen „Erfolge“ der aktuellen Regierung in Sachen Corona- und Krisenmanagement in einem Rückblick. Bescheidenheit oder Realität sind hier Fehlanzeige. Er wies gleichzeitig darauf hin, dass die unsicheren Zeiten noch nicht vorbei seien und dass er trotz des großen Rückhalts in der eigenen Partei sein Amt übergebe. „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person“, sagte er. Kurz behauptete, hierdurch Chaos und Stillstand zu vermeiden, es brauche Stabilität und Verantwortung, damit der wirtschaftliche Aufschwung weitergehe. 

Einen Seitenhieb gegen Kickl ließ er sich in seinem Statement auch nicht entgehen, indem das Szenario Vierparteienkoalition gezeichnet wird, das es zu verhindern gälte. 

Außenminister Alexander Schallenberg solle nun die Funktion des Bundeskanzlers übernehmen, da persönliche, macht- oder parteipolitische Interessen nicht so wichtig seien wie die Stabilität in Österreich. Kurz selbst wird als Klubobmann ins Parlament gehen. Und er werde versuchen, die Vorwürfe gegen ihn zu widerlegen, und meinte, dass es schade sei, dass die Unschuldsvermutung in diesem Land offenbar nicht für jeden gelte.

Er schließt sein Statement, das ihn zum Opfer machen soll, fast schon episch, und wenn man sich nicht im Klaren wäre, dass er Politik auf Kosten der Mehrheit macht, würde man ihn selbst wählen wollen, wenn er sagt, dass zwar viele fragen, warum er sich das gefallen ließe, aber festhält: „Es geht nicht um mich, es geht um Österreich. Es geht um Sie alle, sehr geehrte Damen und Herren, denn Sie alle haben verdient, dass sich die Politik nicht mit sich selbst beschäftigt, sondern dass die Politik für die Menschen in unserem Land arbeitet.“

Sebastian Kurz ist bekannt als guter Inszenierer und das demonstrierte er auch im Rahmen seines Statements, das sicherlich nicht der letzte Akt seiner Politikkarriere war. Der Auftritt lässt einen fast vergessen, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aktuell gegen ihn ermittelt, und zeigt, dass es auch nur eine „Kurz-fristige“ Pause werden könnte. Denn es gilt natürlich die Unschuldsvermutung…

Schallenberg aus dem Adelsgeschlecht

Der weniger bekannte Nachfolger auf dem Kanzlerposten, Alexander Schallenberg, stammt aus einem ehemaligen österreichischen Adelsgeschlecht und wuchs als Botschaftskind wohlbehütet in verschiedenen Ländern auf. Er ist weit genug von Kurz entfernt, um als untadelig zu gelten, aber nah genug, um Kontinuitäten zu sichern. Er stiftet die von Kurz angekündigte Stabilität – eine Stabilität der volksfeindlichen Politik, die sich in der Corona-Politik ebenso wie der Steuerreformen und vielen weiteren Angriffen auf die Arbeiterklasse zeigt. 

Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), hielt in seinem Kommentar zu einer möglichen Fortsetzung der ÖVP-Grünen-Koalition gestern fest: „Sollte es doch noch zu einer Fortsetzung der Koalition von ÖVP und Grünen unter einem neuen Kanzler kommen, dann wäre diese ‚Verbesserung‘ eher optischer und emotionaler Natur: Das Regierungsabkommen bliebe aufrecht, die radikalkapitalistische Agenda mit blassem Öko-Anstrich somit ebenfalls. Überhaupt sollte man nicht der Verklärung aufsitzen, dass es eine andere und menschenfreundlichere ÖVP gibt, quasi die ‚alte‘ ÖVP – denn auch diese war die Hauptpartei des österreichischen Kapitals, antisozial, arbeiterfeindlich, imperialistisch und gesellschaftlich reaktionär. Und die ganz alte ÖVP, das ist sowieso die von Engelbert Dollfuß beseelte. So etwas muss man sich nicht zurückwünschen, egal wie sehr man von Kurz und Konsorten angewidert ist.“ – Kogler und Co. geben jedenfalls bereits grünes Licht für die Fortführung der Koalition.

Der PdA-Vorsitzende schließt seine Einschätzung zu den aktuellen Vorgängen wie folgt: „Am Ende geht es schließlich darum, nicht diese oder jene Regierung zu stürzen, sondern das bürgerlich-kapitalistische System in seiner Gesamtheit – und dieses durch die neue Gesellschaft des Sozialismus-Kommunismus zu ersetzen, wo man für Leute wie Sebastian Kurz sicherlich einen geeigneteren und anständigen Job finden würde.“

Quelle: ORF/Zeitung der Arbeit

- Advertisment -spot_img
- Advertisment -spot_img

MEIST GELESEN