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Niederländische Opfer des deutschen Faschismus fordern Entschädigung

107.000 Jüdinnen und Juden wurden zur Zeit des deutschen Faschismus aus den Niederlanden deportiert. Etwa 5.000 davon überlebten. Salo Muller (Jahrgang 1936) forderte im Juli, zusammen mit anderen Überlebenden und Nachfahren, in einem Brief die deutsche Bundeskanzlerin Merkel dazu auf, sich der historischen Verantwortung zu stellen. 

Amsterdam. Schon 2018 erreichte der Schriftsteller und Zeitzeuge Salo Muller, dass die niederländische Bahn (Nederlandse Spoorwegen) 50 Millionen Euro als Entschädigung an 7.000 deportierte Jüdinnen und Juden zahlte. Die niederländische Bahn war in der Zeit der deutschen Besatzung nämlich dafür zuständig, den Transport der im Durchgangslager Westerbork gefangenen Jüdinnen und Juden in verschiedene Vernichtungslager zu bewerkstelligen. So auch nach Auschwitz. Laut der Berechnung des niederländischen Historikers Johannes Houwink ten Cate verdiente die niederländische Bahn an den Transporten an die 409.000 Gulden.

Auch die Deutsche Bahn verdiente an den unmenschlichen Transporten. Laut einer Be- und Umrechnung des Direktors der Gedenkstätte Camp Westerbork, Dirk Mulder, handele es sich dabei um mindestens 16 Millionen Euro, vermutlich aber noch mehr. Die Jüdinnen und Juden mussten laut Mulder ihre Reise auch selbst bezahlen. Die Rechnungen der Reichsbahn seien dabei von der SS beglichen worden, diese wiederum bezahlte sie mit Geld, das der jüdischen Bevölkerung abgenommen und geraubt worden war. Während vor zwei Jahren die niederländische Bahn 50 Millionen Euro als Entschädigung zur Verfügung stellte, kam von deutscher Seite nichts. Niederländische Jüdinnen und Juden sind nie von den deutschen Entschädigungsregelungen berücksichtigt worden.

„Die Züge der niederländischen Bahn gingen bis Nieuweschans. Da wurden sie entkoppelt, es kam anderes Personal, andere Maschinisten, und die haben die Menschen in die Lager gebracht, in die Gasöfen, um sie zu ermorden. Sie sind also mindestens genauso schuldig wie die niederländische Bahn – und das sitzt mir quer.“, erklärt Muller. Die Deutsche Bahn zählt aber nicht als Rechtsnachfolger der früheren Reichsbahn. Deshalb wandte sich Muller mit seinem Brief direkt an die Kanzlerin A. Merkel (CDU). Sein Anwalt A. Hagedorn erläuterte hierzu: „Nach unserer Ansicht ist der deutsche Staat noch immer dafür verantwortlich – auch juristisch. Und die moralische Verantwortung bleibt sowieso immer bestehen.“ Das Bundeskanzleramt sei deshalb hierbei der richtige Adressat.

Die Bundesregierung hat sich in dieser Angelegenheit nur dahingehend geäußert, dass sie den Sachverhalt prüfen werde. Salo Muller wird diesbezüglich nicht locker lassen – das sei er den 107.000 niederländischen Opfern des deutschen Faschismus schuldig sowie auch seinen Eltern: An die in Auschwitz ermordeten Louis Muller und Lena Blitz erinnern heute zwei Stolpersteine in der Amsterdamer Molenbeekstraat.

Quelle: Tagesschau/Sputniknews

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