Früher ein tabuisiertes und hingenommenes Thema, können heutzutage Meldungen dieser Art in anonymisierter Form in der Ombudsstelle der Ärztekammer abgegeben werden.
Wien. Ein einfaches Machtverhältnis: Menschen (in der Hauptsache Frauen) in Ausbildung sind Vorgesetzten zunächst einmal ausgesetzt, denn die berufliche Laufbahn hängt von deren Bewertung und Ausbildungsqualität ab. So wird über sexistische Sprüche und regelrechte Avancen nur zu oft hinweggesehen, damit keine negativen Konsequenzen daraus resultieren könnten. Mehrere Ärztinnen haben kürzlich ihre Sexismuserfahrungen in Wiener Spitälern publikgemacht. Einer Ärztinnenumfrage zufolge haben zwei Drittel aller Befragten zudem bestätigt, dass sie Fälle von Sexismus am eigenen Leib erfahren hätten.
Ombudsstelle der Wiener Ärztekammer
Es besteht die Möglichkeit, Zwischenfälle hinsichtlich Sexismus, Mobbing, Gewalt, Rassismus und Diskriminierung bei dieser Ombudsstelle zu melden. Personen, die betroffen sind, haben auch die Option, vertrauliche Beratung in anonymer Form in Anspruch zu nehmen.
Antonia Greb, Leiterin des Frauenpolitikreferats in der Ärztekammer Wien, erzählte gegenüber Wien heute, dass sich diesbezügliche Vorfälle gemehrt hätten: „Innerhalb der letzten Tage sind mehr Meldungen eingegangen, es haben sich mehr Kolleginnen gemeldet bei der Ombudsstelle unserer Ärztekammer.“
Bislang haben die meisten Personen, die von Sexismus in Krankenhäusern betroffen sind, aus Furcht vor möglichen negativen Auswirkungen auf ihre berufliche Laufbahn geschwiegen. Dies wird von Greb und ihrer Kollegin, Julia Harl, stellvertretende Leiterin des Referats für Frauenpolitik, betont. In einem Artikel in der Tageszeitung Presse berichteten sieben Ärztinnen, einige davon anonymisiert, von Erfahrungen, in denen sie als junge Medizinerinnen während Nachtdiensten unangemessene Kommentare von Oberärzten erhalten hatten, die sie verunsichert und teilweise sexuell belästigt haben. Die Wiener Ärztekammer brachte dieses Problem ebenfalls durch eine Pressemitteilung in die Öffentlichkeit.
Auf positive Bewertungen angewiesen
Es handelt sich um Fälle von Überschreitungen von Grenzen und unangemessenem Verhalten, insbesondere gegenüber jungen Ärztinnen in Ausbildung, die noch keinen festen Vertrag haben und auf positive Bewertungen von oft männlichen Oberärzten angewiesen sind. Es wird beispielsweise von einem Vorfall berichtet, in dem ein Oberarzt eine junge Ärztin mit einer List dazu brachte, an einem romantischen Abendessen teilzunehmen, während er gleichzeitig Gespräche über ihr Intimleben anknüpfte. Ein anderer Fall beschreibt einen Oberarzt, der sein Telefon absichtlich weit oben im Regal platzierte, sodass die junge Ärztin sich vor ihm „räkeln“ musste, um es zu erreichen, wie er es selbst ausdrückte.
„Begonnen hat es, dass ich das Thema am Radar hatte, als selbst Betroffene in der Ausbildung natürlich. Da beginnt das, dass man das erste Mal Sprüche mitbekommt, sich mit den Kolleginnen austauscht, konkrete Situationen teilweise auch miterlebt“, erzählt Harl. Nicht alle Männer würden zwar so agieren, es gebe aber immer noch viele aus „alten Strukturen“ und stellenweise auch eine Art „Gruppenzwang“.
Quelle: ORF