HomeWeitere RessortsKommentarÜber die Versammlungsfreiheit und den Klassencharakter des Staates

Über die Versammlungsfreiheit und den Klassencharakter des Staates

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA).

Vor ein paar Wochen gab es große Aufregung darüber, dass die Wiener Polizei eine FPÖ-nahe Demonstration nicht über den Ring ziehen lassen wollte. Linke Gruppen erlebten ähnliche Entscheidungen des Polizeiapparats in der Vergangenheit schon des Öfteren. Meist ging es darum, dass verhindert werden sollte, dass Demonstrationen das (Weihnachts-)Geschäft auf der Mariahilfer Straße oder anderen Einkaufsmeilen stören. Ein Wirtschaftskammer-Funktionär hatte gar schon die Idee, dass es fixe Plätze und Routen für Kundgebungen und Demonstrationen geben sollte, die so ausgewählt werden, dass sie nicht mit belebten Einkaufsmeilen kollodieren. Etwa nach dem Vorbild des Hyde-Park-Corners in London.

Die Polizei begründet ihre Entscheidung – wie auch im konkreten Fall vor ein paar Wochen – damit, dass das Recht auf Erwerbsfreiheit vor das Recht auf Versammlungsfreiheit zu stellen sei. Das kann man skandalisieren und man muss sich auf jeden Fall dagegen wehren, da solche Grundsatzentscheidungen bereits erkämpfte staatsbürgerliche Rechte beschneiden.

Linke und Kommunisten sollten solche Entscheidungen des Staatsapparats aber dennoch richtig einordnen. Der Staat ist, wie der österreichische Theoretiker der kommunistischen Bewegung, Ernst Wimmer, es ausdrückte, die Herz-Lungen-Maschine des Kapitals. In diesen Kontext gesetzt ist die Entscheidung der Wiener Polizei nur folgerichtig. Big Business und Profit gehen vor. Da müssen so Kinkerlitzchen wie das Recht auf Versammlngs- und Redefreiheit schon hintangestellt werden.

Friedrich Engels schrieb: „Da der Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Klassengegensätze im Zaum zu halten, da er aber gleichzeitig mitten im Konflikt dieser Klassen entstanden ist, so ist er in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittelst seiner auch politisch herrschende Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse“*. Im Zusammenhang mit Polizei und stehendem Heer spricht Engels wie später auch Wladimir Iljitsch Lenin von „besonderen Formationen bewaffneter Menschen“, die dem Staat zur Machtabsicherung dienen und also seine Klassenherrschaft im Bedarfsfall auch mit Gewalt durchsetzen.

Die Untersagung einer Demonstrationsroute kann da noch als ein recht gelindes Mittel angesehen werden. Es gibt aber auch Vorkehrungen für andere Szenarien. Das Bundesheer unterhält Objektschutzeinheiten, die im Falle eines revolutionären Aufstands das Eigentum der Konzerne und der Reichen zu sichern haben. Auch die Polizei verfügt über zahlreiche Spezialeinheiten mit multiplen Fähigkeiten zur Aufstandsbekämpfung. Die Geschichte gibt uns Beispiele, wie der kapitalistische Staat und seine bewaffneten Formationen zu Todesschwadronen, Massenmördern und Folterkellern fähig ist, wenn er sich von der Arbeiterklasse und ihren Kampforganisationen und Parteien ernsthaft bedroht sieht. 1965/66 wurden in Indonesien bis zu drei Millionen Kommunisten und deren Sympathisanten brutal ermordet, mit Unterstützung der CIA. In Chile putschte General Pinochet mit US-amerikanischer Hilfe die sozialistisch-kommunistische Volksmacht weg und überzog das Land mit Todesschwadronen. 1993 wurde in Südafrika der Generalseketär der Kommunistischen Partei, Cris Hani, ermordet, angeblich von einem Einzeltäter. In der Ukraine, in Russland, im angeblich sozialistischen Venezuela und in vielen anderen Ländern der Welt sind Kommunist:innen und klassenkämpferische Gewerkschafter:innen aktuell Tod und Verfolgung ausgesetzt. Manchmal setzt man „Einzeltäter“ ein, sehr oft aber die geballte Staatsmacht

Wer also über die Verletzung der Grundrechte im Kapitalismus spricht, sollte sich immer gewahr sein, dass diese nur auf Zeit gelten, und immer nur so lange, wie sie das Big Business nicht allzu sehr stören. Der kapitalistische Staat und seine Repressionsorgane dienen nicht dem Volk – obwohl sie es dem Buchstaben des Gesetzes nach tun sollten – sondern der Absicherung der Kapitalmacht. Freilich wird es – wie in jeder bisherigen Revoution – zur Erringung des Sieges der Arbeiterklasse unbedingt nötig sein, auch Teile des Staatsapparates auf ihre Seite zu ziehen. Illusionen sind trotzdem fehl am Platz.

* Friedrich Engels: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“.

BILDQUELLEAcp~commonswiki
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