Aktuell zeichnet sich die Entwicklung ab, dass immer mehr Menschen in der Pension weiterarbeiten. Das hängt unter anderem mit einem veränderten gesellschaftlichen Bild auf Alter und Arbeit zusammen, sowie veränderten sozialen und gesellschaftlichen Strukturen, aber auch mit niedrigen Pensionen und der massiven Teuerung.
Wien. Die Wirtschaft ruft immer wieder danach, dass die Zuverdienstgrenzen zur Pension angehoben werden sollen, bitten um Steuervorteile und darum, dass andere Anreize geschaffen werden sollen, um eine Erwerbsbeteiligung auch über die Pensionierung hinweg zu attraktiveren.
Gesunde und aktive Alte als unausgeschöpfte Ressource für Profit und Ausbeutung
Aufgrund der in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Lebenserwartung sowie einer zunehmend längeren Gesundheit im Alterungsprozess wurden die gesunden „Alten“ als unausgeschöpfte Arbeitskraft-Ressource entdeckt. Die sogenannten „Best Ager“ altern gesund, fit und aktiv. Sie – aktuell die ersten Jahrgänge der sogenannten Babyboomer-Generation – sind nicht nur als Konsumentinnen und Konsumenten eine wichtige Zielgruppe für die Unternehmer, auch durch ihren ausgeprägten Arbeitsethos und ihre Erwerbszentriertheit sind sie für das Kapital eine reizvolle Ressource.
Dies hat nicht nur die Anhebung des Pensionseintrittalters, sondern auch ein Ruf nach einer geringfügigen (wie geringfügig dies auch sein mag) Erwerbsbeteiligung neben der Pension zur Folge. Wenn es nach der Wirtschaft geht, soll hierüber auch der Fach- und Arbeitskräftemangel bearbeitet werden.
Seit 2018 stieg Zahl arbeitenden Pensionistinnen und Pensionisten um 30 Prozent
Der Trend, in der Pension weiterzuarbeiten, zeichnet sich auch in den Daten der Sozialversicherung ab. Derzeit arbeiten in Österreich etwa 75.000 Pensionistinnen und Pensionisten weiter. 2018 waren es noch 58.000 und somit um 17.000 weniger.
Doch wie kommt es dazu, dass immer mehr Menschen ihren wohlverdienten Ruhestand durch eine andauernde, wenn auch geringfügige, Erwerbsbeteiligung unterbrechen?
Diese Tendenz wird sicherlich einerseits durch eine klare Erwerbszentriertheit der sogenannten Babyboomer-Generation sowie Veränderungen von Familienstrukturen erklärbar.
Es kommt zu einer größeren Binnenmobilität in Österreich und Kinder sowie Enkelkinder sind weniger in Oma/Opa-Betreuung, weil sie räumlich in größerer Entfernung wohnen. Außerdem sind Enkelkinder immer früher und häufiger in institutioneller Betreuung, wodurch ein potenzielles Feld der Beschäftigung wegfällt. Die eigenen Kinder der Pensionist/inn/en sind geschlechtsunabhängig tendenziell häufiger in den Erwerbsarbeitsmarkt integriert.
Die eigene Erwerbszentriertheit, gepaart mit öffentlichen Kürzungen im Bereich von Kultur- und Freizeitangeboten führt teilweise zu fehlenden Angeboten an sozialen Aktivitäten abseits der Erwerbsarbeit. Gepaart mit den veränderten Familienstrukturen und massiv verstärkt durch die Maßnahmen im Rahmen der Covid-Pandemie führt dies – besonders bei Alleinstehenden – im Summe zu einer potenziell zunehmenden Einsamkeit im Alter. Diese Einsamkeit kann ein Verweilen am Arbeitsplatz attraktiv erscheinen lassen.
Hohes Armutsrisiko im Alter
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor ist das zunehmende Armutsrisiko im Alter. Im Jahr 2021 waren laut Statistik Austria rund 232.000 Menschen über 65 Jahren von Armut oder Ausgrenzung betroffen. In der Gruppe befanden sich 75.000 Männer und 157.000 Frauen. Das heißt, 2021 waren rund 15 Prozent der über 65-Jährigen akut armutsgefährdet.
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Armutsgefährdung von über 65-Jährigen um 6,5 Prozent gestiegen, mit der massiven Teuerungsrate hat sich die Zahl der Betroffenen weiter erhöht.
Keine Lösung für Fach- und Arbeitskräftemangel
Doch auch wenn die Zahlen der arbeitenden Pensionistinnen und Pensionisten steigen, gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass der Fach- und Arbeitskräftemangel hierdurch nicht abgewandt werden kann. Es braucht neben Ausbildungsoffensiven auch für Einsteigerinnen und Einsteiger Beschäftigungsbedingungen, die Arbeit attaktiver machen, angefangen mit angemessenen Löhnen oder auch Beschäftigungs- und Weiterbildungsperspektiven.
Auf Seite der „Best Ager“ braucht es armutsfeste Pensionen und eine andere Organisation des gesellschaftlichen, des sozialen Lebens; ein leistbares und niedrigschwelliges Angebot an kulturellen und sozialen Aktivitäten, die gepaart der Tendenz der Armut und Vereinsamung im Altern entgegenwirken. Hierdurch kann ein Ende der Ausbeutung im Alter erreicht werden. Statt hackln bis ins Grab kann somit das aktive und gesunde Altern positiv genützt und der wohlverdiente Ruhestand genossen werden.
Quelle: ORF/Volkshilfe