Die Gewerkschaft Younion bezeichnet sich selbst als Daseinsgewerkschaft. Durch ihre Rolle beim Warnstreik der Notärzte in der Klinik Ottakring und ihr Verhalten bei der Kündigung kritischer Belegschaftsvertreter verdient sie eher die Bezeichnung Dienstgebergewerkschaft.
Wien. Der Warnstreik der Ärztinnen und Ärzte der Notaufnahme in der Klinik Ottakring am 30. Juni 2023 wurde von der für das gesamte Spitalspersonal zuständigen Gewerkschaft Younion boykottiert. „Im Gegensatz zu anderen Ländern ist es nicht notwendig, zuerst zu streiken, um überhaupt gehört oder ernst genommen zu werden“ begründet die Gewerkschaft ihr eigenartiges Verhalten in einer Stellungnahme. Es wird darauf verwiesen, dass ohnehin hinter verschlossenen Türen verhandelt werde. Kurz gesagt: Stört nicht die Ruhe der SPÖ-Wien, ihr Ärzte! Denn diese sitzt auf beiden Seiten des Verhandlungstisches.
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Ärzte fordern 30 Prozent mehr Gehalt für alle
„Im Gegensatz zur Gewerkschaft younion, die nur die Interessen der Stadt Wien vertritt, übernehmen wir als eigentlich standespolitische Vertretung der Ärzteschaft mittlerweile Aufgaben für die Besserstellung aller Gesundheitsberufe“, sagt dazu Stefan Ferenci, Obmann der Kurie der angestellten Ärzte in der Ärztekammer Wien, und weiter: „Ich fordere die Gewerkschaft younion daher auf, unsere Forderung für 30 Prozent mehr Gehalt für ALLE Gesundheitsberufe mitzutragen. Denn diese Anerkennung der Leistungen aller im Gesundheitsbereich Tätigen ist das Mindeste, das wir tun können, um eine weitere Personalflucht aus dem öffentlichen Spitalsbereich in Wien zu verhindern.“
Dass die Gewerkschaft Younion in den Betrieben der Stadt Wien zumindest aufs Engste mit dem Dienstgeber verbunden ist, beweist schon die Person ihres Vorsitzenden Christian Meidlinger. Er ist Vorsitzender jener Gewerkschaft, die die gesamten Bediensteten der Stadt Wien vertreten soll und zugleich hochrangiger SPÖ-Funktionär und 2. Präsident des Wiener Landtages. Meidlinger gehört auch dem Gemeinderatsausschuss für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke an.
Dienstnehmer- und Dienstgebergewerkschaft?
Dass eine Gewerkschaft wie die Younion bei Verhandlungen die Dienstnehmer vertritt, und dabei gleichzeitig die Interessen des Dienstgebers in hohem Maße zu berücksichtigen hat, der ja der gleichen Partei angehört, macht ihre Rolle angesichts mangelnder Fortschritte bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Spitalspersonals zumindest angreifbar. Dass sich Younion gegen Kampfmaßnahmen von Teilen der Belegschaft stellt und sich nicht in ihrer Packelei mit dem Dienstgeber stören lassen will, ist dann schon sehr seltsam.
Apropos seltsam: Younion rührt auch keinen Finger, wenn kritische Belegschaftsvertreter, die natürlich nicht der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) angehören, gekündigt werden, ja sie stimmt Kündigungen sogar zu. Dabei lernt man in jedem ÖGB-Seminar, dass der Betriebsrat prinzipiell keiner Kündigung eines Belegschaftsvertreters zustimmen soll.
Umso peinlicher ist es für die Younion dann, wenn, wie im Fall des Betriebsrats Richard Brandl, die Wiener Linien mit der Betriebsratskündigung bis zum Höchstgericht gehen und eine krachende Niederlage erleiden.