Ein Musikmogul, dem versuchter Mord, Menschenhandel, sexualisierte Gewalt und organisierte Kriminalität vorgeworfen werden – und ein amtierender US-Präsident, der öffentlich über eine mögliche Begnadigung nachdenkt. Der Fall Sean „Diddy“ Combs ist mehr als ein Promi-Prozess. Er zeigt, wie tief patriarchale Machtstrukturen in der Kulturindustrie verwurzelt sind – und wie eng sie mit politischer Rückendeckung verwoben sein können.
Während in einem New Yorker Gerichtssaal Zeuginnen und Zeugen von brutalen Übergriffen berichteten, erklärte Präsident Donald Trump : „Ich würde mir sicherlich die Fakten ansehen.“ Eine deutliche Botschaft – nicht an die Opfer, sondern an die Täter. Er hat ein autoritäres Machtverständnis, in dem Loyalität, Reichtum und Prominenz mehr zählen als Recht und Gerechtigkeit. Trump demonstriert unverhohlen die Klassenjustiz im Kapitalismus.
Die gegen Combs erhobenen Vorwürfe sind erschütternd. Ex-Assistentin Capricorn Clark berichtete, Diddy habe 2011 einen Mordanschlag auf Rapper Kid Cudi geplant – aus Eifersucht. Mit geladener Waffe habe er Clark gezwungen, mit ihm zu Cudis Haus zu fahren. Der „Man on the Moon“-Rapper sei zum Glück nicht zu Hause gewesen. Cudi wirft Diddy außerdem vor, ein Jahr später einen Brandanschlag auf sein Auto verübt und zuvor in sein Haus eingebrochen zu sein.
Auch eine weitere Ex-Mitarbeiterin, die unter dem Namen „Mia“ aussagt, beschreibt ein jahrelanges Verhältnis aus Abhängigkeit, Gewalt und sexualisierter Erniedrigung. Diddy habe sie bei privaten Feiern missbraucht, mit Gegenständen beworfen und regelmäßig in seine Gewalt gegenüber Partnerin Cassie eingebunden – Mia sollte nach seinen Attacken für die medizinische Versorgung sorgen. Die Aussagen zeichnen das Bild eines Mannes, der sich als unantastbar glaubte – und dem dieses Selbstbild offenbar über Jahre hinweg bestätigt wurde.
Nun also Trump. Seine Aussage kommt nicht aus dem Nichts. Schon in seiner ersten Amtszeit begnadigte er Kriegsverbrecher, rechte Straftäter und politische Verbündete, woran er in der zweiten auch anknüpfte. Dass er nun erneut sein Begnadigungsrecht öffentlich ins Spiel bringt – diesmal zugunsten eines wegen schwerster Sexualdelikte Angeklagten – ist ein politischer Akt. Es geht nicht um die Details des Falls, sondern um die Botschaft: Wer zur Elite gehört, kann mit Schutz rechnen.
Die Verteidigung versucht derweil, die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und Zeugen zu erschüttern – durch alte Instagram-Posts, durch insinuierte Ambivalenz im Verhalten der Betroffenen. Es ist ein bekanntes Muster, das sich durch zahllose Missbrauchsprozesse zieht: Die Frage ist nie, ob Gewalt ausgeübt wurde – sondern ob die Opfer perfekt genug reagieren, um geglaubt zu werden. Dass viele Betroffene jahrelang schweigen, verdrängen oder sogar öffentlich freundlich auftreten, wird systematisch gegen sie verwendet.
Der Fall Diddy steht exemplarisch für eine Kultur, in der Macht schützt – und in der Gewalt nicht die Ausnahme ist, sondern eine systemische Konsequenz patriarchaler Strukturen. Wenn der Präsident eines Landes angesichts solcher Vorwürfe nicht Distanz, sondern potenzielle Milde signalisiert, dann ist das kein Nebenschauplatz. Es ist ein Komplize des Systems, das solche Täter produziert – und schützt.
Es gilt die Unschuldsvermutung.
Quelle: HipHop.de/Der Standard