Das Verteidigungsministerium möchte die Kriegskapazitäten massiv ausweiten, weswegen eine neue „Teiltauglichkeit“ eingeführt wurde und teure Aufrüstungsschritte anstehen.
Wien. Es braucht nicht viel, um die Regierungsgrünen auszumanövrieren: ÖVP-Verteidigungsministerin und Eisenwurzenfüchsin Klaudia Tanner setzte ihre Vorstellungen der „Teiltauglichkeit“ bei Stellungsuntersuchungen einfach als einseitige ministerielle Änderung der Tauglichkeitskriterien um. Damit gelten die neuen Regeln ab März 2021. Diese sehen vor, dass junge Männer, die bislang unter das Drittel der Untauglichen für den Wehrdienst fielen, nun für bestimmte Bereiche doch rekrutiert werden können – betroffen sind u.a. Personen mit Übergewicht, Marschunfähigkeit, nachhaltigen Verletzungen oder sogar Amputationen. Wer ohne Hilfe eineinhalb Kilometer spazierengehen kann, kann auch zum Militärdienst. Die bewaffnete Ausbildung reduziert sich dann zwar auf den Pfefferspray, aber auch dieses scheint neuerdings offenbar eine kriegstaugliche Waffengattung zu sein, wenngleich man deren Fronttauglichkeit einigermaßen bezweifeln darf. Klingt ein bissel nach dem letzten Aufgebot des Volkssturms, hat freilich (vorerst) einen anderen Hintergrund: Das österreichische Bundesheer braucht mehr Personal und mehr Geld, d.h. die „teiltauglichen“ Rekruten sollen als billige Arbeitskräfte natürlich insbesondere im administrativen und logistischen Bereich für Entsatz sorgen. Damit können kampftaugliche Soldaten aus den Küchen, Latrinen und Büros sowie von Fahrersitzen abgezogen werden und stehen ihrer eigentlichen militärischen Verwendung zur Verfügung, gleichzeitig können finanzielle Mittel umgeschichtet werden. Das Ganze widerspricht freilich einem VfGH-Urteil von 1989, aber so etwas ist ÖVP und Grünen ja bekanntermaßen egal.
Da diese Maßnahmen den zunehmend ausufernden Bedürfnissen des Militarismus aber nicht genügen werden, fordert Tanner vorsorglich auch schon wieder ein erhöhtes Militärbudget, für Investitionen in den Kampfpanzer Leopard, für neue Hercules-Transportflugzeuge, sogar für Drohnentechnik. Und daneben steht ja immer noch auch die Neuanschaffung im Bereich der Kampfjets aus. Hier geht es um Milliardenbeträge, die andernorts wohl besser zu verwenden wären. Selbiges gilt für die Lebenszeit der künftigen „Teiltauglichen“: Anstatt sie zum halbmilitärischen Hilfsdienst einzuziehen, sollte man ihnen staatlicherseits vielleicht gesellschaftlich nützlichere Ausbildungen ermöglichen (und diese Jobs sodann auch anständig bezahlen). Aus Tanners Sicht mag die internationale Kriegs‑, Interventions- und Okkupationstätigkeit des österreichischen Bundesheeres an der Seite des EU-Imperialismus und der NATO zwar wichtiger erscheinen, doch soll es dem Vernehmen nach ja durchaus Bereiche geben, wo relevantere Personalknappheit herrscht, so z.B. im Gesundheitssystem, bei der Pflege, bei der Kinderbetreuung und bei Schulen – dies wären Investitionen in die gesellschaftliche Zukunft. Aber die ÖVP mit ihrem oliv-grünen Schoßhündchen kümmert sich eben lieber um Aufrüstung, Tötungsausbildung und die Sammlung von menschlichem Füllmaterial für die Schützengräben. Wenn die Fragen lauten: Kriegsgerät oder Krankenhäuser, Panzer oder Pflegeeinrichtungen, Bomben oder Bildung, Kanonenfutter oder Kindergärten? – dann entscheidet sich der bürgerlich-kapitalistische Staat immer für sein Zerstörungs- und Vernichtungspotenzial. Mit Wilhelm Liebknecht kann man dazu feststellen: Dem Militarismus keinen Mann und keinen Cent!
Quelle: Der Standard