Wien. Die Bundesregierung wollte die Gesundheitsreform eigentlich schon im vergangenen Monat über die Bühne bringen. Auch wenn Bund, Länder und die Sozialversicherungen Berichten zufolge auf die Eckdaten der Reform einigen konnten, sehen die Länder nach wie vor Klärungsbedarf in Bezug auf die Finanzierung. Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Kärntens Peter Kaiser (SPÖ) äußerte dies gegenüber das APA zu Beginn der Woche. Der heutige Sommerministerrat soll die Reform vorantreiben.
Eckpunkte der mehr als überfälligen Gesundheitsreform sind unter anderem Kassenverträge, Leistungskatalog, längere Ordinationsöffnungszeiten und Wahlärzte sowie die Gesundheitshotline.
Kassenärzte
Im Rahmen der Reform sollen Kassenverträge attraktiver gemacht werden, um niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zu stärken und mehr Vertragsärztinnen und ‑ärzte zu gewinnen. Hierdurch sollen auch Spitalsambulanzen entlastet werden. Außerdem soll ein bundesweiter Vertrag mit den Kassen ermöglicht werden, wodurch Honorare vereinheitlicht werden sollen. In der Hoffnung, Wahlärztinnen und ‑ärzte in das Versicherungssystem zu integrieren, sollen Teilzeitkassenstellen geschaffen werden.
Öffnungszeiten und Primärversorgung
Weiter sind Primärversogungseinheiten beschlossen und eine fortschreitende Digitalisierung angedacht. Die Öffnungszeiten der Ordinationen sollen „bedarfsgerecht“ werden, damit die Versorgung in einer Region werktags zwischen den Tagesrandzeiten von 7:00 bis 19:00 Uhr sowie an Wochenenden garantiert werden.
Telemedizin zur Kosteneinsparung
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) plant außerdem den Ausbau der Telemedizin in Anlehnung an das finnische Model. In Finnland werden gesundheitliche Beschwerden über eine App vor dem eigentlichen Arztbesuch geklärt. In Österreich soll keine App, sondern die bestehende Hotline 1450 eingesetzt werden, um eine solche Funktion zu übernehmen.
Reformen nicht ausreichend
Teile der Vorhaben wurden bereits beschlossen, andere sind noch offen. Alles in allem klingt die Reform auf den ersten Blick gut. Die Covid-Pandemie hat offenbart, wie sehr neben dem akuten Mangel an Kassenärztinnen und ‑ärzten im niedergelassenen Bereich auch die stationäre Versorgung prekär ist. Seither wird quasi dauerhaft von Missständen, in Krankenhäusern berichtet und Gefährdungsanzeigen publik.
Die geplanten Reformen werden hier kaum Abhilfe schaffen. Der stationäre Bereich wird nicht ausreichend Bedacht und die Zweiklassenmedizin, die die allgemeine Versorgung mitprekarisiert, wird nicht angetastet. Die Einführung von Teilzeitkassenstellen sichert ebenso wenig wie die Reform der Kassenverträgen eine Attraktivierung gegenüber der Tätigkeit als Wahlarzt oder ‑ärztin, die große individuelle Gestaltungsspielräume in vielen Bereichen haben. Der Ausbau von Primärversorgungseinheiten sind ein guter Schritt.
Insgesamt scheinen jedoch weitere tiefergreifende Maßnahmen notwendig, beispielsweise eine Überführung sämtlicher medizinischer Einrichtungen wie Praxen und Krankenhäuser in öffentliches Eigentum, oder das generelle Verbot von Privatleistungen durch Ärzte. Die Anstellung von Ärzten als Angestellte und Verbot von Selbstständigkeit würden eine solide Basis für die Versorgung bilden.
Telemedizin in der geplanten Form geht mit einer tendenziellen Deprofessionalisierung einher, wenn hierfür die 1450 genutzt wird. Hier sind vielfach Laien am Telefon. Außerdem ist eine Diagnostik via Telefon, auch bei Fachmenschen, nur mit großen Abstrichen möglich. Hierbei geht es darum, Lücken im Gesundheitssystem günstig zu verdecken, anstatt diese zu schließen. Gesundheitsaufklärung im Sinne des Volkes sieht anders aus und erfordert direkten Kontakt. Dies sind nur einige Kritikpunkte an der geplanten Reform, die vor allen Dingen Augenwischerei ist.
Quelle: Der Standard/Mein Bezirk