Der im Westen sehr bekannte russische „Regimekritiker“ Alexei Nawalny ist in Haft gestorben. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde seine zufällig anwesende Frau mit einem emotionalen Auftritt ins Programm eingebaut. Nawalny war in Russland außerhalb Moskaus kaum bekannt und hatte dezidiert rassistische Ansichten, Migranten bezeichnete er als „Kakerlaken“.
Moskau/München. Wie die russischen Behörden bekanntgaben, ist der im Westen als „Regimekritiker“ hofierte russische Geschäftsmann und Politiker Alexei Nawalny in einer Haftanstalt nördlich des Polarkreises gestorben.
In einem Porträt von Alexei Anatoljewitsch Nawalny im August 2020 versuchten wir anlässlich seiner Einlieferung in die Berliner Charité aufgrund einer schweren Stoffwechselerkrankung, die im politischen Westen einer angeblichen Vergiftung durch russische Behörden zugeschrieben wurde, die vielen Facetten dieses Mannes zu beleuchten. Damals schrieben wir: „Nawalny wurde einer limitierten russischen Öffentlichkeit ursprünglich als Blogger und, nun ja, ‚Influencer‘ mit überschaubarem Einfluss bekannt. Er widmete sich in seinen Beiträgen, die auch zu Anzeigen führten – Nawalny ist studierter Jurist –, der Korruptionsbekämpfung im staatlichen und staatsnahen Bereich (auch wenn er später selbst genau deswegen verurteilt wurde). Dieses Engagement ist zunächst durchaus etwas Positives, denn dass der bürgerliche Staat, insbesondere wenn er eine so langlebige Regierung wie in Moskau hat, seine politischen Träger und befreundete Kapitalisten nicht nur legal, sondern auch illegal bereichern soll, ist Normalität im Kapitalismus: Bestechung und Bestechlichkeit, Freunderlwirtschaft und die Zuschanzung staatlicher Aufträge, Gesetzes- und Ämterkauf, Gegengeschäfte und ‚Provisionszahlungen‘ sind weder im Osten noch im Westen ungewöhnlich.“
Nawalny war aber nicht nur der selbstlose Aufdecker, als der er sich gerne darstellte. Er war Unternehmer und Finanzinvestor, Aktionär bei Gas- und Ölkonzernen sowie im Immobilienbereich, und viele Fälle von Korruption, die er aufdeckte, fanden genau in den Konzernen statt, an denen er Anteile hielt. Es ging ihm ursprünglich also in erster Linie um seine Dividende.
Lieblings-„Regimekritiker“ des Westens in Russland
Der Lieblings-„Regimekritiker“ des Westens stach in der Vergangenheit durch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegenüber allem „Nichtrussischen“ hervor und wurde schließlich vom Aufdecker zum politischen Aktivisten, der unangemeldete Kundgebungen gegen die herrschende Oligarchie rund um Präsident Wladimir Putin abhielt und bei einer Kandidatur zum Moskauer Bürgermeister beachtliche 27 Prozent der Stimmen erhielt.
Er kehrte nach seiner Genesung in Berlin vor drei Jahren nach Russland zurück und wurde sofort verhaftet. Ihm werden Unterschlagung, Korruption und eine Reihe weiterer, auch politischer Delikte vorgeworfen. Zuletzt war er in einer Haftanstalt nördlich des Polarkreises untergebracht und konnte an seinen Prozessen nur per Videoschaltung teinehmen. Die Gefängnisverwaltung teilte gestern mit, dass er bei einem Spaziergang zusammengebrochen sei und nicht mehr reanimiert werden konnte.
In Russland kaum bekannt
„Im Prinzip schwebt ihm eine Ausrichtung wie in Kiew vor – dass der Maidan-Putsch freilich mit verstärkter kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung, mit dem Aufkommen faschistischer Umtriebe, mit Verfolgung und Illegalisierung linker und kommunistischer Organisationen, mit Diskriminierung von Minderheiten und nicht zuletzt durch einen Bürgerkrieg begleitet wurde, sollte zu denken geben. Auf solche ‚demokratischen und pro-europäischen Hoffnungsträger‘ wie Nawalny können die Völker Russlands getrost verzichten“ schrieben wir in unserem Porträt im August 2020. Dass Nawalny irgendwann die Macht im Kreml ergriffen hätte, kann so gut wie ausgeschlossen werden. Er war einem überwiegenden Teil der russischen Bevölkerung überhaupt nicht bekannt, und die Sicherheitsdienste Putins hätten sicher Mittel und Wege gefunden, das zu verhindern. Aber nur weil Nawalny keinesfalls eine fortschrittliche Alternative zu Putin gewesen wäre, sollte man sich bezüglich des Präsidenten keine Illusionen machen. Putins Macht beruht auf seiner Zusammenarbeit mit Oligarchen, die nach 1991 sowjetisches Volksvermögen im großen Stil gestohlen haben.
Politische Morde und Tod eines Reporters im Gefängnis in der Ukraine kein Problem
Die zufällig auf der Münchner Sicherheitskonferenz anwesende Frau Nawalnys wurde mit einer emotionalen Ansprache ins Programm eingebaut, und von Washinton bis Berlin wurde sofort die Sprachregelung ausgegeben, dass Nawalny von Putin ermordet worden sei. Sehr interessant und wieder einmal Beleg dafür, dass die moralisierende Politik des „Westens“ doppelbödig und zynisch ist, ist die Tatsache, dass dort ein anderer Präsident, in dessen Amtszeit schon einiges an tatsächlichen politischen Morden verübt wurde, als Held, der für Freiheit und Demokratie kämpft, vorgeführt wird. Es handelt sich um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Waren schon vor seinem Amtsantritt politische Morde in der Ukraine gang und gäbe, wird das Kriegsrecht weidlich dazu ausgenützt, politische Gegner auszuschalten.
Nur zwei Beispiele zur Verdeutlichung: Kurz nach Kriegsbeginn, Anfang März 2022, wurde Denis Kireev, Teilnehmer an den ersten russisch-ukrainischen Verhandlungen nach Kriegsbeginn im belarussischen Gomel, direkt vor einem Kiewer Gerichtsgebäude mit einem Kopfschuss hingerichtet. Die Mörder wurden damals in den Reihen des ukrainischen Geheimdienstes SBU vermutet, die ihn zuvor verhaftet hatten, oder bei „unbekannten Patrioten“, die ihn wegen „Verrats“ ermordet hätten. Auch der Tod des US-amerikanischen Reporters mit chilenischen Wurzeln, Gonzalo Lira, in einem Gefängnis in der Ukraine im Jänner 2024 wirft viele Fragen auf. Er hatte kritisch über das Selenskyj-Regime berichtet, wurde inhaftiert, wieder freigelassen, neuerlich inhaftiert und starb dann im Knast. Die Regierung in Washington hatte keinen Finger gerührt um ihn freizubekommen.