Ein Schauspiel sondergleichen bietet uns der aktuelle EU-Wahlkampf, insbesondere die Debatte rund um Lena Schilling, Spitzenkandidatin der Grünen. Man könnte meinen, es gehe dieser Tage um alles andere als um politische Inhalte. Gossip, Gerüchte und persönliche Anschuldigungen dominieren die Schlagzeilen – ein inszeniertes Drama, das scheinheilig von den eigentlichen politischen Auseinandersetzungen ablenkt.
Anstatt über den Charakter der Europäischen Union zu debattieren – also darüber zu sprechen, dass diese EU nichts anderes als ein Werkzeug in den Händen des Monopolkapitals ist, geschmiedet, um die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu intensivieren und imperialistische Ambitionen zu fördern – wird sich in „Qualitätsmedien“ und im Boulevard fleißig das Maul zerrissen über die vermeintlichen oder tatsächlichen Charakterzüge einer Lena Schilling. Die Charakterfrage einer Spitzenkandidatin wird von den etablierten Medien zum Maß aller Dinge erhoben als wäre dies der entscheidende Faktor für die Zukunft der Völker Europas. Es ist so lächerlich! Selbst wenn die skandalträchtigen Geschichten der Wahrheit entsprechen sollten, was würde das überhaupt beweisen? Höchstens, dass Schilling bestens für die politische Bühne geeignet ist – in einem System, in dem Intrigen und Machtspiele zur Tagesordnung gehören. Doch was diese ganze Causa sicher nicht belegt, ist, wie aus chauvinistischer Manier gepaart mit sexistischen Anspielungen gerne unterstellt wird, dass eine junge Frau mit der „großen Politik“ sowieso überfordert sein würde oder es ihr dafür an Kompetenz fehle. Kompetenz braucht man für diesen Job nicht, das beweisen die Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien tagtäglich aufs Neue.
Offenbar, so wird erzählt, soll Schilling ja auch geplant haben, sich nach der Wahl von den Grünen zu verabschieden, um zur Linksfraktion zu wechseln. Mehr braucht es nicht, damit die ganze Medienwelt hysterisch aufschreit. Ist Lena Schilling vielleicht sogar Kommunistin? Nun, liebe Standard-Redaktion, wir helfen gerne. Wir haben euch diese Frage beantwortet, übrigens bereits Ende Jänner – also lange vor Bekanntwerden des aufgebauschten Skandals. Unsere Antwort war klar und ist es noch immer: Nein, Lena Schilling war, ist und wird nie Kommunistin sein. Ihre politischen Vorstellungen und Ziele haben rein gar nichts mit den revolutionären Idealen von Clara Zetkin und Rosa Luxemburg zu tun, die sie damals als ihre Vorbilder auserkoren hatte. Diese großen Frauen kämpften für die Diktatur des Proletariats und demnach für eine echte Demokratie, die eben nicht wie das EU-Parlament nur ein Betrug dessen ist. Schilling hingegen scheint die politische Bühne der EU als Ort zu sehen, wo sie „ein bissl Wirbel reinbringen“ kann. Es mag sein, dass sie sich das mit dem „Wirbel“ anders vorgestellt hat, doch gewiss meinte sie damit nie auch nur ansatzweise eine grundlegende Kritik an der Europäischen Union und schon gar nicht am kapitalistischen System. Sondern ganz im Gegenteil. Lena Schilling ist glühende Befürworterin der EU, steht im Israel-Palästina-Krieg auf der falschen Seite und propagiert eine bürgerliche Klimapolitik auf Kosten der lohnabhängigen Bevölkerung. Also nein, Kommunistin ist sie keine, ziemlich angepasst und weichgespült ist sie auch; die ganzen Intrigen, Gschichtln und Gerüchte über ihre Person interessieren uns trotzdem nicht.
Vielmehr ist diese entpolitisierte Debatte um Schillings vermeintlichen Charakter nichts anderes als ein weiteres Ablenkungsmanöver. Denn was wirklich zählen würde, ist eine klare, kompromisslose Haltung gegenüber der EU – und wie für die EU gilt das auch für derartige Scheindebatten: Wir müssen da raus!