Innsbruck. Karl-Heinz Grasser, ehemaliger Finanzminister, neoliberaler Hoffnungsträger und einst gefeierter Polit-Star, hat am Montag seine Haftstrafe in der Justizanstalt Innsbruck angetreten. Vier Jahre Haft wegen Untreue und Geschenkannahme im Rahmen der BUWOG-Privatisierung. Der Justizvollzug meldet pflichtbewusst: Der Ex-Minister ist um 13 Uhr erschienen. Die Schlagzeilen wirken beinahe wie ein Befreiungsschlag: Der Karl-Heinz geht endlich ins Hefn. Der Rechtsstaat funktioniert also doch noch – oder tut zumindest so.
Grasser war der Hauptangeklagte im BUWOG-Prozess, dem größten Korruptionsverfahren der Zweiten Republik. 60.000 Bundeswohnungen wurden im Jahr 2004 an die Immofinanz verkauft. Die Konkurrenz bot gerade einmal eine Million Euro weniger. Dass der Deal zugunsten der Immofinanz ausging, fiel erst später auf, als die Provisionen – insgesamt 9,6 Millionen Euro – bei Grassers Freunden Walter Meischberger und Peter Hochegger landeten. Die Justiz urteilte: Untreue und Geschenkannahme.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Schuld – reduzierte die Strafe jedoch auf vier Jahre. Nicht etwa wegen Zweifel an der Schuld – sondern wegen der absurden Dauer des Verfahrens. Fast 16 Jahre brauchte es, bis die Klassenjustiz den Mut fand, einen ihrer ehemaligen Lieblingssöhne tatsächlich einzusperren. Und dann auch nur unter Rücksichtnahme auf dessen Geduld.
Dass Grasser jetzt in Haft sitzt, ist richtig. Aber es ist auch zu wenig. Denn der eigentliche Skandal liegt nicht in seinem Fehlverhalten – sondern in einem System, indem dieses Verhalten über Jahrzehnte hinweg als clever, erfolgreich und „wirtschaftsnah“ gefeiert wurde. Grasser war nicht das Problem. Er ist das Symptom eines politischen Systems, in dem man mit dem richtigen Maß an Chuzpe, Netzwerken und PR zur Lichtgestalt aufsteigen kann – und selbst nach dem Absturz auf ein weiches Polster fällt. Es ist der Kapitalismus österreichischer Prägung: Zuckerbrot für die da oben, Peitsche für uns da unten.
Und so lässt sich aus dem Fall Grasser vor allem eines lernen: Der Kapitalismus kennt keine Moral, nur Rendite. Wer ihm dient, wird belohnt. Wer betrügt, wird – manchmal – ein paar Jahre weggesperrt. Aber der große Reibach, die gekauften Seilschaften, die Komplizenschaft von Kapital und Politik – all das bleibt. Unverändert. Unbestraft. Scheinbar unantastbar. Grasser sitzt. Aber das System bleibt auf freiem Fuß.
Quelle: ORF