Polizei forscht mit digitaler Überwachungssoftware Demonstrationsteilnehmerinnen und ‑teilnehmer aus. Wie das System genau funktioniere, sei aber „Betriebsgeheimnis“. Das Innenministerium ließ sich die neue Anschaffung rund 450.000 € kosten.
Wien. Die öffentliche Aufmerksamkeit rund um die derzeitige Corona-Pandemie kommt der schwarz/grünen Bundesregierung gelegen, um in aller Ruhe den Überwachungsapparat massiv auszubauen und repressive Maßnahmen zu etablieren, die insbesondere politische Kundgebungen und Demonstrationen treffen sollen. Die Regierung von Kanzler Sebastian Kurz und dem grünen Vizekanzler Werner Kogler setzt dabei nahtlos an der Agenda der schwarz/blauen Vorgängerregierung an.
Linke Demonstrationsteilnehmer im Fokus
Mit Anfang August ist ein digitales Gesichtserkennungssystem des Innenministeriums nach einem mehrmonatigen Test in den Regelbetrieb geschaltet worden – und kommt bereits zum Einsatz. Wie der Standard berichtete, belegen Dokumente, dass diese neue Software beispielsweise zur Ausforschung von Demonstrationsteilnehmerinnen und ‑teilnehmern zum Einsatz kam. Auch der Sprecher des Innenministeriums bestätigte: „Der digitale Bildabgleich ist im Zusammenhang mit den Vorfällen in Favoriten zum Einsatz gekommen.“ Gemeint waren damit jene Demonstrationen, die nach den Angriffen türkischer Faschisten auf linke, migrantische Strukturen im Ernst-Kirchweger-Haus stattgefunden hatten. Nicht, dass man nun glauben würde, dass mit der Software nur die türkisch-nationalistischen Aggressoren ausgeforscht werden sollten, laut Informationen des Standards wurde die Gesichtserkennungssoftware lediglich dazu genutzt, um antifaschistische Demonstranten, die sich gegen die Angriffe zur Wehr setzten, zu identifizieren. 47 Personen sollen dabei von den Behörden ermittelt worden sein.
Funktionsweise ist „Betriebsgeheimnis“
Das Gesichtserkennungssystem soll dabei die Bilder der Fotodatenbanken der Polizei mit anderen Quellen abgleichen, wie beispielsweise Fotos von Überwachungskameras. Ein Abgleich mit Fotos aus sozialen Medien wäre laut einer Stellungnahme des Ministeriums nicht vorgesehen, da dies rechtlich nicht gedeckt sei. Für „normale Erhebungen“ würden solche Bilder aber durchaus genutzt werden. Wie das System genau funktioniere, sei aber „Betriebsgeheimnis des Herstellers“, betonte Innenminister Nehammer.
Seit Ende letzten Jahres sollen insgesamt 581 Suchläufe mit der neuen Überwachungssoftware durchgeführt worden sein. Dabei sollen Lichtbilder unbekannter Täter mit Fotos aus erkennungsdienstlichen Behandlungen früherer Straftäter abgeglichen worden sein. In 83 Fällen sollen dabei bis dahin unbekannte Täter ausgeforscht worden sein.
Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt
„Gesichtserkennung ist deshalb so gefährlich, weil damit die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum eingeschränkt wird“, übt Datenschützer Thomas Lohninger von Epicenter Works scharfe Kritik. „Mit dem Überwachungspaket unter Innenminister Sobotka wurde bereits 2017 die Basis dafür geschaffen, Bilder der Videoüberwachung von Bahnhöfen, U‑Bahn-Stationen und öffentlichen Plätzen in Echtzeit ans Innenministerium zu liefern.“
Hergestellt wurde das digitale Spionagesystem von der Firma Atos IT Solutions, die zum Dresdner Unternehmen Cognitec Systems gehört. Der Anschaffungspreis betrug stattliche 448.813 Euro.
Quellen: Standard / Netzpolitik.org