Am 22. März gingen die Bilder des großen, italienweiten Amazon-Streiks um die Welt. Rund 40.000 Arbeiterinnen und Arbeiter legten dabei ihre Arbeit nieder. Dieses starke politische Zeichen gibt nicht nur Amazon zu denken.
Italien. Ende März kam es zu einem bedeutsamen Streik der Arbeiterinnen und Arbeiter von Amazon: Rund 40.000 Beschäftigte legten ihre Arbeit nieder, um gegen die eklatanten Ausbeutungsverhältnisse des Monopolkonzerns anzukämpfen. Neben zermürbenden Arbeitszeiten und niedrigen Löhnen sind die Arbeiterinnen und Arbeiter von Amazon auch noch mit großen Mängeln bei den Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 konfrontiert. Während es dem Management darum geht, Profite zu sichern und massiv zu steigern, sind Amazon-Beschäftigte (nicht nur in Italien) einem sehr hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt.
Genauere Zahlen der Streikbeteiligung der einzelnen Sektoren dieses großen Polyps, der sich Amazon nennt, sind jedoch schwierig zu ermitteln, da sich der Konzern bewusst in Intransparenz hüllt. Gewerkschaften können in Bezug auf die Streikbeteiligung nur Schätzungen anstellen, da das Management diese Zahlen nicht herausrückt, genausowenig, wie es Daten zu befristet Beschäftigten, arbeitsbedingten Erkrankungen und Arbeitsunfällen preisgibt. Die in den Streikkämpfen involvierten Gewerkschaften gehen von 70 bis 75 Prozent Beteiligung von Arbeiterinnen und Arbeitern in den Lagerhäusern aus und in einigen Betrieben sollen sich ganze 90 Prozent der Kurierfahrer beteiligt haben – Amazon spricht hingegen von 10 bis 20 Prozent Beteiligung.
Ein Kampf von historischer Tragweite
Der in Paris zu Arbeit und Arbeitskämpfen forschende Soziologe Francesco Massimo äußerte gegenüber der Wochenzeitung der Freitag, dass es sich dabei um einen Streik von historischer Tragweite handelte. Der Streik von 40.000 Amazon-Beschäftigten war der erste weltweit, „der große Teile des Vertriebsnetzes von Amazon umfasst: Von den großen Lagerhäusern bis zu den Lieferanten, die die Pakete an die Haustür bringen. Das ist historisch. Die bisherigen Streiks in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien oder im vergangenen Jahr in Polen beschränkten sich auf die großen Distributionszentren. Die Gewerkschaften waren nicht in der Lage oder nicht willens, den nächsten Schritt zu gehen. Dass dies jetzt gelungen ist, ist ein wichtiges politisches und symbolisches Signal.“
CGIL, CISL und UIL verlieren an Relevanz
Zum Streik kam es aber erst nach längeren, erfolglosen Verhandlungen. Die drei Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL, die trotz nach außen hin härter scheinenden italienischer Gangart sozialpartnerschaftlich ausgerichtet sind, forderten eine tarifliche Regelung der Arbeitsbedingungen beim Internetriesen, auch Themen wie Arbeitsintensität, ‑sicherheit und Gesundheit spielten bei den Verhandlungen eine Rolle. Anfang März endeten die Verhandlungen erfolglos, da sich Amazon weigert, Verantwortung für die Fahrerinnen und Fahrer der Subunternehmen zu übernehmen – vielmehr seien dafür, laut Amazon, die beauftragten Lieferdienste und deren Unternehmerverbände verantwortlich. Daraufhin riefen die Gewerkschaften zum landesweiten Streik auf, der Fahrerinnen, Fahrer und das Logistiknetz miteinschloss.
Massimo sieht darin jedoch eher eine Reaktion auf die immer besser organisierten Basisgewerkschaften, die die vernachlässigte Arbeit der etablierten Gewerkschaften übernehmen, sodass diese wiederum in Zugzwang gerieten:
„Ich denke, die Antwort liegt in dem großen Zyklus von Kämpfen, der den Logistiksektor in Italien seit 2011 erschüttert hat. Diese wurden nicht von den etablierten, sondern von kleinen Basisgewerkschaften angeführt. Deren Arbeitskämpfe haben in ganz Italien hohe Wellen geschlagen und das Gleichgewicht der Kräfte in der Branche verändert. Die Streiks wurden sehr radikal geführt. Die Arbeiter haben nicht nur ihre Arbeit niedergelegt, sondern auch Lagerhallen blockiert und den Warenverkehr behindert. Trotz starker Repression durch die Polizei und die Arbeitgeber wuchsen diese Gewerkschaften und konnten die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Die etablierten Gewerkschaften stehen unter Zugzwang und versuchen daher, die Führung in der Branche zurückzuerobern.“
Organisieren und kämpfen!
Die Kommunistische Jugendfront (FGC) schrieb am 22. März zum Streik: „Heute fand in ganz Italien der erste Streik in der Amazon-Lieferkette statt. Die kommunistische Jugend steht vor den Lagerhallen, um die Arbeiter zu unterstützen. Das Erkämpfen von Rechten ist nur durch Kampf und effektive Mobilisierung möglich, gegen jede Ansatz des Versöhnlertums mit den Ausbeutern.
Der erste Schritt ist getan. Jetzt muss der Kampf der Amazon-Arbeiter mit den Kämpfen der Logistikindustrie und den kämpferischen Sektoren, die sich gerade mobilisieren, vereint werden. Der Kampf gegen die Giganten ist möglich. Organisieren wir uns!“
So wie in jedem Land, zeigen auch die Erfahrungen in Italien, dass der Streik ein starkes Mittel gegen die Herrschenden darstellt, der aber weitergeführt werden muss, um bleibende Ergebnisse zu zeitigen.
Quelle: Der Freitag/FGC