In Schottland sollten zwei Asylwerber wegen „Verdacht auf Verletzung der Migrationsbestimmungen“ in Schubhaft genommen werden – die Bevölkerung der Nachbarschaft erzwang ihre Freilassung.
Glasgow. Am vergangenen Donnerstag war eine Einheit des britischen Innenministeriums im schottischen Glasgow ausgerückt, um zwei indischstämmige Asylwerber festzunehmen und der Abschiebung zuzuführen. Doch die Beamten hatten nicht mit dem entschiedenen Widerstand der Bewohner des südlichen Stadtteils Pollockshields gerechnet, die zu hunderten erschienen waren, um die Maßnahme zu verhindern. Ein Mann, der lediglich als „Van Man“ bekannt ist, harrte stundenlang unter dem Einsatzwagen der „Immigration Enforcement“-Truppe aus, um dessen Abfahrt zu verunmöglichen, während eine stetig größer werdende Menschenmenge den Kleinbus des Innenministeriums zunächst umzingelte und schließlich vollständig einschloss und blockierte. Die Protestierenden forderten klar und deutlich, dass die Asylwerber bleiben sollen.
Schließlich mussten die britischen Behörden nachgeben, und die beiden Männer, Angehörige der Minderheit der Sikhs, wurden wieder freilassen. Die der Kommunistischen Partei Britanniens nahestehende Zeitung „Morning Star“ nannte dies einen „Triumph der Klassenmacht, der weitere Widerstandsaktionen gegen Willkürmaßnahmen und die Verweigerung von Menschenrechten stimulieren wird.“ Tatsächlich standen die Arbeiterklasse von Glasgow sowie die multikulturelle Bevölkerung von Pollockshields in der Vergangenheit für verschiedene Widerstandsaktivitäten gegen Hausbesitzer, Ausbeuter und Unterdrücker – dass ein Gutteil der betroffenen Nachbarschaft inzwischen pakistanischer Abstammung ist, wirkt fast schon ironisch, zeugt aber von Solidarität und Internationalismus: In Pakistan und im indischen Punjab gibt es durchaus eine Konfliktgeschichte zwischen Sikhs und Muslimen.
Nachdem die Einwohner von Pollockshields die Schubhaft für ihre beiden indischen Nachbarn erfolgreich verhindert hatten, beeilten sich verschiedene politische Kräfte, sich auf „die richtige Seite“ zu stellen. Sowohl die in Edinburgh regierende Schottische Nationalpartei (SNP) als auch Labour und die Grünen wandten sich nun gegen den Festnahmeversuch von Glasgow, sogar die schottische Polizei distanzierte sich von der Maßnahme, mit der sie nichts zu tun haben will: Sie sei lediglich anwesend gewesen, um für Sicherheit zu sorgen. Doch man darf sich natürlich nicht auf opportunistische Politiker verlassen, wenn es um den Schutz von Menschenrechten und ein Asylwesen geht, das diese Bezeichnung auch verdient. Die Massenaktion von Glasgow zeigt, dass es die Menschen der multikulturellen schottischen Arbeiterklasse sind, die in vereinter und entschlossener Aktivität den Behörden und ihren menschenverachtenden Gesetzen die Stirn bieten können – und müssen. Denn fest steht auch: Es wird nicht der letzte Abschiebungsversuch gewesen sein.
Quelle: Morning Star / The Guardian