In Mexiko formiert sich gerade ein Zusammenschluss mehrerer linker Organisationen unter der irreführenden Bezeichnung „Unidad Comunista“. Die Kommunistische Partei Mexikos klärt über den „antiimperialistischen“ und „klassenkämpferischen“ Charakter der Bewegung auf.
Ciudad de México. Es häufen sich Meldungen darüber, dass gerade ein Neuformierungsprozess der linken Kräfte Mexikos unter dem Label Unidad Comunista (Kommunistische Einheit) vonstattengeht. Solche Vorgänge sind in der Arbeiterbewegung periodisch feststellbar (aus unserem direkten Nachbarland Italien kennen wir hierfür unzählige Beispiele) und sind ein Resultat der Instabilität und Zerfahrenheit der Arbeiterbewegung nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Weltbewegung. Sie deuten im Allgemeinen darauf hin, dass etablierte, jedoch durch und durch vor der Arbeiterschaft diskreditierte sozialdemokratische Parteien alleine nicht mehr weiter können und sich noch nicht so bekannte linkere Organisationen mit ins Boot holen müssen, um aus ihnen frische Kraft zu schöpfen. Solche Vorgänge dienen in der Regel dazu, sich einerseits ein volksnäheres Image zu verpassen, und andererseits, diesen Organisationen den revolutionären Stachel abzuziehen und sie auf lange Sicht überflüssig zu machen. Es ist entscheidend, wie sich die kommunistischen Parteien des jeweiligen Landes gegenüber diesen Versuchen der Eingliederung der Arbeiterbewegung in den herrschenden Diskurs positionieren – nur zu oft hing historisch betrachtet davon ihr Fortbestand ab.
Federico Piña Arce, Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Mexikos (PCM), zeigt in seinem erst kürzlich im theoretisch-politischen Organ El Machete veröffentlichten Artikel „Die 4. Transformation – Eine antiimperialistische Arbeiter- und Volksregierung?“ die ideologischen Hinter- und Abgründe des Projekts auf.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Bei der Neuschöpfung Unidad Comunista wirken mehrere Organisationen mit: Die Sozialistische Volkspartei Mexikos, die Mexikanische Kommunistische Bewegung, die Partei der mexikanischen Kommunisten und die Revolutionäre Linke Front. Federico Piña Arce zeigt zwei Wege auf, die die mexikanische diffuse Linke geht, um sich zu reanimieren:
„Einerseits, indem sie zum Kampf für die ’nationale Befreiung und Sozialismus‘ aufruft und die gegenwärtige Regierung als volksnah und antiimperialistisch qualifiziert, und andererseits, indem sie eine ‚Parteienföderation‘ bildet, die sich ‚Kommunistische Einheit‘ nennt. Mir scheint, dass das Einzige, was die beiden Wege offenlegen, der Umstand ist, dass dieses ideologische Spektrum bereits besiegt wurde und am Rande des Aussterbens steht, begraben unter dem Gewicht der sogenannten ‚Vierten Transformation‘.“
Mit der vierten Transformation spielt er auf die Propaganda von Präsident López Obrador und seiner MORENA-Partei an, die ihr Regierungsprogramm als das der „Vierten Transformation“ Mexikos nach der Unabhängigkeit von Hidalgo, der Reform von Benito Juarez und der Revolution von Villa und Zapata bezeichnen.
Der Rückbezug auf längst widerlegte Konzepte und die Anbiederung an die Regierungspolitik würde auf lange Sicht mehr Schaden anrichten, als Nutzen bringen und eine revolutionäre Umgestaltung ad calendas graecas verschieben: „Nach dem alten Motto ‚wenn du deine Feinde nicht besiegen kannst, schließe dich ihnen an‘ reproduziert auch die sogenannte ’sozialistische und kommunistische Linke‘, die sich in der ‚Kommunistischen Einheit‘ zusammengeschlossen hat, alte Schemata, Theorien, Ideologien, ja sogar ‚Organisationsformen‘, die in der Vergangenheit nur Niederlagen, den Verlust der Unabhängigkeit und schließlich die Zersplitterung von Prozessen, die zu einer echten revolutionären Option hätten werden können, gebracht haben.“
Lombardismus und Eurokommunismus
Die Unidad Comunista wäre demnach nichts Neues, hinter sozialrevolutionären und souveränistisch anmutenden Losungen verbirgt sich der Schatten derjenigen Konzepte, die schon in der Vergangenheit keine Option dargestellt und sich als falsch erwiesen haben. Im Grunde bietet Unidad Comunista, dem Namen zum Trotz, nur ein ideologisches Sammelsurium aus eurokommunistischen und lombardistischen Ansätzen, die sich sehr gut in den herrschenden Diskurs eingliedern lassen. Lombardismus, den es hier kurz zu erläutern lohnt, bezeichnet eine politische Strömung, die ihren Namen vom Gründer der Volkspartei, Vicente Lombardo Toledano, bezieht und die unter anderem das Bündnis der Arbeiterklasse mit der nationalen Bourgeoisie und „fortschrittlichen“ Sektoren in der Regierung befürwortet. Sie wird von der Definition des „mexikanischen Weges zum Sozialismus“ sekundiert, der den Übergang zum Sozialismus auf friedlichem Weg und in Etappen vorsieht, basierend auf den Besonderheiten der mexikanischen kapitalistischen Entwicklung.
Federico Piña Arce zeigt sich darüber wenig verwundert, denn „wenn man ihre Absichten, ihre Aussagen und ihre Organisatoren analysiert, ist es nicht verwunderlich, dass der gewählte Weg darin bestand, zwei Konzeptionen aufzugreifen, die bereits auf die Müllhalde der Geschichte verbannt worden waren. Eine davon hat mit den offensichtlichsten Thesen des Lombardismus zu tun: Die Definition, wonach in Mexiko eine ’nationale Befreiung‘ vom Imperialismus notwendig sei, da wir nur eine ‚Kolonie‘ seien. Dies ist eine Tendenz, die in den Gründungsdokumenten deutlich zum Ausdruck kommt.
Und die andere Konzeption besteht in einer sozialdemokratischen Strömung, die den Positionen des Eurokommunismus sehr nahe steht, die Demokratie, mehr Demokratie und noch mehr Demokratie fordert …, dies aber völlig losgelöst von den Bewegungen und den wirklichen und innigsten Forderungen der arbeitenden Massen, die unter Ausbeutung, zunehmender Armut und den schwersten Folgen der Pandemie leiden.
Auf den ersten Blick mag diese Verschmelzung seltsam erscheinen, aber in Wirklichkeit sollte sie uns nicht allzu sehr überraschen. Denn beide manifestieren jene Positionen, die mit einer leeren pseudo-‚linken‘ Phraseologie nur vorschlagen, das kapitalistische System ‚besser‘ zu verwalten oder zu managen, anstatt es endgültig zu stürzen.“
Ein geöltes Rädchen im System
Mit diesem politischen Hintergrund stellt Unidad Comunista kein Hindernis für die volks- und arbeiterfeindliche Politik der Regierung dar, die sich in der Corona-Krise als besonders inkompetent in der Virus-Eindämmung erwiesen hat, jedoch Spezialfähigkeiten in ihrer antiimmigratorischen, arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Ausrichtung aufweist. Die Mär des Antiimperialismus des mexikanischen Staates wird durch die programmatische Unbestimmtheit von Unidad Comunista noch gestützt, die die zulasten der mexikanischen Arbeiterklasse geschlossenen T‑MEC-Handelsabkommen mit Trump und Biden sowie die klare Anti-Immigrationspolitik von López Obrador ausklammert. Federico Piña Arce stellt die Frage in den Raum, wie man denn diese Politik als volksnah darstellen könne:
„Die Organisatoren von ‚Kommunistische Einheit‘ behaupten, dass 4T eine Volksregierung sei. Wie kann man diese Behauptung stützen? Könnte es durch die Unterstützung der Maßnahmen, die die 4T-Regierung ergriffen hat, um die Privilegien und Vorteile der Monopole und den Schutz ihrer Gewinne zu erhalten, demonstriert werden? Oder durch die Unterstützung der Austeritätspolitik, die in Wirklichkeit eine Anpassungsstrategie ist, die zur Entlassung von tausenden von Beschäftigten des öffentlichen Sektors geführt hat? Könnte es sein, dass die Organisatoren von ‚Kommunistische Einheit‘ die Politik des Abbaus von Arbeiterrechten, die sie in die totale Prekarität geführt hat, teilen und unterstützen?
Und sicherlich werden sie Seite an Seite mit der 4T kämpfen, um die totale Militarisierung des Landes zu erreichen, mit einer offenen Prominenz der mexikanischen Armee im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben, betraut mit der Kontrolle zahlloser ziviler Aktivitäten und der Kontrolle der Häfen und Flughäfen, und jetzt sogar des Impfplans.
Die Übergabe eines Teils der Macht an das Militär hat enorme Vorteile für die herrschenden Eliten bedeutet. Sie hat es López Obrador ermöglicht, die Hauptverantwortung für die Sekretariate für Sicherheit, Kommunikation und Transport in den Streitkräften zu konzentrieren und die militärischen Führer mit Geld – Verträgen, Deals und Privilegien – zu kooptieren, im Austausch dafür, dass sie keine Bedingungen für demokratische Rückschritte stellen.“
Eigenständigkeit und Parteiaufbau
Federico Piña Arce kommt zum Schluss, dass diese Bewegung nur rückwärts- statt vorwärtsgerichtet sein kann. Sie bedient sich eines substanzlosen Populismus, der sich aus den ideologischen Irrfahrten des Sozialdemokratismus, Eurokommunismus und des oben beschriebenen Lombardismus speist, teilweise geschmückt mit Regierungstreue und Forderungen nach nationaler Souveränität gegenüber dem größeren Übel: den USA (die aber in Wirklichkeit mit der mexikanischen Regierung sehr gute Geschäfte auf Kosten der Arbeiterklasse macht). Er endet mit der Feststellung, dass es zur Schöpfung einer wahren Alternative zum herrschenden System des Aufbaus der Kommunistischen Partei bedarf:
„Jetzt ist es an den Revolutionären, den neuen Weg zu beginnen, um eine echte Option aufzubauen, die von den Fabriken, den Ländereien, den Klassenzimmern, den Dörfern, den Städten aus daran arbeitet, dieses System der Ausbeutung zu zerstören und die Monopole und ihre Verbündeten auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Vorwärts zum Aufbau der Kommunistischen Partei!“
Quelle: El Machete / Resistenze.org