Gemeindewohnungen sind in ganz Österreich eine vielbegehrte Mangelware. Selbst Managerinnen und Manager geben die Wohnungen nicht mehr her, wenn sie in Vergangenheit einmal Anspruch darauf hatten.
Wien. 17.000 Menschen warten derzeit auf eine Gemeindewohnung in Wien. Rund 220.000 gibt es davon – zu wenige, um den hohen Bedarf zu decken. Man bekommt eine Gemeindewohnung nicht einfach so zugewiesen, hierzu muss man einige Kriterien erfüllen. Eines davon ist z.B., dass man nicht mehr als 3.500 Euro netto als Einzelperson im Monat beziehen darf – für zwei Personen liegt die Grenze bei 5.200 Euro netto.
Daher verwundert es ganz besonders, wenn sich unter den Gemeindewohnungsbezieherinnen und ‑beziehern millionenschwere Investoren befinden. Wie wir bereits berichtet haben, ist auch der ehemalige ÖIAG-Aufsichtsratschef und Kfz-Manager Siegfried Wolf einer derjenigen, die von den günstigen Wohnungen in Wien profitieren. Ist der MAN-Investor etwa ein volksnaher Mensch, der zwar durch harte Arbeit reich geworden ist, jedoch den Bezug zur Basis nicht verlieren möchte? Nein, natürlich nicht. Er wohnt selbst nicht dort, hat die Wohnung als Nebenwohnsitz angegeben und möglicherweise untervermietet. Mehrere Personen, darunter auch Verwandte des Magnaten, haben ihren Nebenwohnsitz in der Wohnung angemeldet.
Einmal Lehrling, immer ein Lehrling
Das Problem ist, dass das Einkommen nur bei der Wohnungsvergabe geprüft wird. Als sich Wolf für die Gemeindewohnung anmeldete, war er noch Lehrling. Das geschah im fernen Jahr 1978 – seitdem wurde sein Einkommen nicht mehr geprüft und seitdem beansprucht Wolf eine Wohnung von 47 Quadratmetern für sich bzw. für Verwandte und Bekannte. Wiener Wohnen erklärt diesen Umstand mit Datenschutzgründen und damit, dass man keinen Zugriff über das Melderegister habe. Wiener Wohnen setzt deshalb seit letztem Sommer auf die Mitarbeit von Detektivinnen und Detektiven, mit deren Hilfe sie seitdem 40 Fälle überprüft hätten. Hiervon ist die Hälfte bereits vor Gericht gelandet. Mittels Schreiben hat Wiener Wohnen zunächst den Investor aufgefordert, innerhalb von einem Monat die Wohnung zurückzugeben, ansonsten geht die Sache vor Gericht – inzwischen wurde seitens der Gemeinde eine Kündigung ausgesprochen. Wiener Wohnen prüft gleichzeitig, ob die Wohnung untervermietet wurde. Siegfried Wolf gab kein Statement zu dieser Angelegenheit ab, vielmehr ließ er einen Sprecher sagen: „Herr Wolf hat schon klargestellt, dass er die Wohnung während seiner Zeit als Lehrling übernommen hat, aber jetzt nicht mehr dort wohnt.“
Der Fall zeigt aber deutlich, dass alle Nachlässe, die dem Proletariat im Kapitalismus gewährt werden, von windigen Konzernherren und Managern kundiger und gewiefter für sich genutzt werden können. Das sozialdemokratische System üppigen Gemeindewohnungsbaus zur Niederhaltung des berechtigten Volkszorns, das propagandistisch als Sozialismus für den kleinen Mann im Gegensatz zu den Errungenschaften im echten Sozialismus verkauft wurde, erweist sich als lücken- und mangelhaft. Während jedes Jahr tausende vollberechtigte Menschen auf eine Gemeindewohnung warten müssen, kann es sein, dass ein millionenschwerer Manager eine ihrer Wohnungen unter Beschlag genommen hat und erst viele Jahre später dafür eventuell zur Rechenschaft gezogen wird. Die sogenannten Errungenschaften der Sozialdemokratie innerhalb des Kapitalismus erweisen sich damit erneut als große Niederlagen für die Arbeiterklasse.
Quelle: ORF